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Aktuelle Texte

Dietmar Dath

Im Schlaf sieht Patrick, was er wach nicht glaubt.

Im Schlaf sieht Patrick, was er wach nicht glaubt:

Das Verzeichnis rechnet alles an. Ankündigungen von Belohnung, meist unwahr, leuchten auf und sterben. Der dopaminergische Haushalt ernährt die Liste. Limbische Strukturen tragen sie. Hirn heißt Haus, hat angeblich Fenster.

Es sind aber Langzeitbilder der Vergangenheit.

 

Sechs Minuten nach vier Uhr früh wacht Patrick von einem Störgeräusch auf.

Er liegt im kleinen Zimmer. Renate schläft im großen.

»Vielleicht hab’ ich nachts ’ne Idee«, hat er ihr

seinen Umzug auf die Couch erklärt, »die muss ich denen dann schicken. Wir reichen das Ding übermorgen ein.« Er fürchtet sich davor, im Schlaf zu sagen, was er von Kerstin weiß, wenn er neben Renate liegt. Im Dunkeln spürt er, dass der Raum ihn anbrummt. Das Hirn gibt dem Brummen Antwort, singt Zucker und Proteine, spricht perineurales Geflecht, das Herausbildung und Funktion der Synapsen kontrolliert, die alle zwischenzelluläre Kommunikation der Neuronen steuern.

Patrick fröstelt von den Füßen her.

Er möchte bei Renate bleiben,...

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The Architecture of Disaster
The Architecture of Disaster

Ines Weizman, Eyal Weizman

Before & After

History is increasingly presented as a series of catastrophes. The most common mode of this presentation is the before-and-after image—a juxtaposition of two photographs of the same place, at different times, before and after an event has taken its toll. Buildings seen intact in a “before” photograph have been destroyed in the one “after.” Neighborhoods bustling with activity in one image are in ruins or under a layer of foulwater in the next. Deforestations, contaminations, melting icebergs and drying rivers...
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Eine Dissoziation
Eine Dissoziation

I.V. Nuss

R-O-N=O

»R-O-N=O – Alkylnitrite. Sie enden chemisch mit einem O, NO! Das R ist ein Platzhalter und steht für mögliche Verbindungen am Nitrit (O-N=O). RONO, RONO, ein voller Klang, ein Wort, das mir seit Jahren im Kopf umhergeistert. Es steht für nichts außer diesen Text. Amylnitrit ist eine dieser möglichen chemischen Verbindungen mit berauschender Wirkung, das R steht hier für eine im Fließtext schlecht darstellbare Kombination aus Wasser- und Kohlenstoff. Die ersten Experimente mit Amylnitrit führte der Anästhesist Benjamin Ward Richardson...
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Literatur

Johannes Binotto

Der Zähmung widersprechen

Von der Zähmung zu sprechen und ihr zu widersprechen muss damit anfangen, das Wort selbst zum Reden zu bringen. »Zahm« – der rätselhafte Ausdruck geht auf dieselben sprachgeschichtlichen Wurzeln zurück wie die Wörter »Damm« und »Zimmer«. Das Zähmen, so macht die Etymologie damit bereits klar, ist ein Akt der Eindämmung, des Abscheidens und der Einpassung. Was einmal gezähmt wurde, hat seither einen klar begrenzten Ort, seine eigene Kammer, in die es fortan nicht einmal mehr eingesperrt werden muss, weil es das Zimmer in Form seiner Zähmung dauernd mit sich herumträgt. Der zahme Bär an der Leine des Schaustellers, wie man ihn noch Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Jahrmärkten vorführte, schien zwar auf dem offenen Dorfplatz zu stehen, steckte dabei aber doch eigentlich im grausamen Käfig seines Dompteurs, den dieser ebenso eng wie unsichtbar um ihn gezimmert hatte.

Noch suggestiver ist da das Französische, wo man das zahme Tier »animal privé«...

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Literatur

Axel Dielmann

»Können Sie sich so etwas vorstellen?«

Wahrscheinlich mussten die Kuratoren fürchten, jemand stolperte über die Stufen beim Blick an ihre Wände, unachtsam vom Bilderansehen – kann es sein, dass ich eben unten an dem ersten Objekt der Ausstellung einfach vorbeigegangen bin? Nummer 1, »Schleier ohne Form. Vorhang…«. Muss an der Wand direkt zwischen Eingang und Abgang… »Lieber Herr Kollege…!«, und Aufgang angebracht gewesen sein, »… Vorhang. Höhe 310 cm, Breite 475 cm«, ich müsste das doch vom letzten Gangabschnitt her schon gesehen haben, wandhohes Ding. Was ich hier übersehe, geht mir durch den Kopf, wäre das Wesentliche. Was noch die schlichteste Form von Analyse ist. Eigentlich müsste ich, weiß ich, zurückgehen im sacht aufsteigenden Wendelstein. Aber er ist zu Ende, vor mir öffnet sich entlang einer letzten flachen Stufe das Anatomische Theater. Licht.

Dem rechteckigen Raum eingeschrieben ist das Oval einer hölzernen, braun glänzenden Balustrade, von der aus sieht man nach unten. Irgendwo wird hier geflüstert. In drei enger...

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Im Inferno der visuellen Kultur
Im Inferno der visuellen Kultur

Hito Steyerl

Medium Hot

»Wie das Wettrüsten und den bestehenden Ausbau und Einsatz von KI-basierten Waffen unterbrechen? Und was passiert mit menschlichen Systemen und den Menschen selbst, wenn menschliches Denken und Empfinden durch die zunehmende Autonomie maschineller Systeme entbehrlich wird?«
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Diskurs

Helmut J. Schneider

Eine Phänomenologie des Mitleids

Vom Gefühl und besonders vom Leiden aus ergibt sich kein Weg zur Ethik mitmenschlichen Verhaltens. Die dominierende Gefühlsbetonung im Mitleid verwischt nach Hamburger die Tatsache, dass wir das Leiden des Anderen immer nur im Modus der distanzierten und vermittelten Vorstellung eines Als-Ob erfahren können. Mitleidend leiden wir ohne zu leiden, im Bezug auf das Leiden des Anderen ist nur Teilnahme, nicht aber identifizierende Teilhabe möglich, wie sehr Letzteres auch immer wieder suggeriert werden mag. Hamburger zitiert den Egoismus-Apologeten Max Stirner, man könne zwar nicht die Zahnschmerzen seines Mitmenschen haben, jedoch: »Ihn schmerzt sein Zahn, mich aber schmerzt sein Schmerz.« Man ist versucht, hier an Bill Clintons berühmt-berüchtigtes Bekenntnis zu erinnern, »I feel your pain« (oder Angela Merkels angesichts der leidenden griechischen Bevölkerung »blutendes Herz«). Solche emotionalen Bekundungen können selten ein »Moment des Selbstbezugs«, zugespitzt des narzisstischen Selbstgenusses oder auch Selbstmitleids, verleugnen. Dagegen wird in dem rational verstehenden Bezug der Andere...

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Diskurs

Andreas L. Hofbauer

Joch des Seins

Nicht durch Natur und ihre Fährnisse wurde Domestizierung erzwungen und der ökonomische Schrein ermöglicht. Tempel- und Totenkult, Opferung und Verteilung des Fleisches – noch für Homer sind alle Schlachttiere hieria, heiliges Vieh – und die Einhegung der Wildheit produzieren symbolischen und soziokulturellen Wandel, der für sesshafte, nahrungsproduzierende Gemeinschaften zu Vektor und Motor wird. Nicht Schafe, Ziegen oder Rinder domestizierte man im Anfang, sondern das zoon logon echon selbst war es, das sich vor und unter dem selbstgeschaffenen Kult-Joch verneigte. Warum, wissen wir nicht. Darüber hinaus ist entscheidend, dass, anders als bei den Pflanzen, sich nur sehr wenige Tierarten domestizieren (zur Ressource machen) lassen und man diesen Vorgang nicht mit Zähmung verwechseln sollte. Als Epiphänomen entwickelt sich ökonomischer Sinn. Er transformiert sich vom möglichen Menschenopfer, zum Tieropfer, zu Fleischteilung, in der Frühzeit der »griechischen« Antike dann zu den obeloi (Bratspieße, versehen mit unterschiedlichen Verdickungen, die als Token für den Fleischsold der...

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Digital Disrupture
Digital Disrupture

Dieter Mersch

Digital Criticism

Theorien des Digitalen beziehen ihre Konjunktur aus einer zweideutigen Lage. Zum einen besitzen sie ihre Herkunft in den Visionen und Utopien der gegenkulturellen Aufklärung der 1970er Jahre, aus denen nicht nur der Personal-Computer, sondern auch die Medienwissenschaften und Medientheorien hervorgegangen sind, die den digital disrupture theoretisiert und unter Reflexion gestellt haben und nach deren Diagnose wir vor einer ebenso nachhaltigen Zäsur stehen wie die frühe Neuzeit mit der Erfindung des Buchdrucks. Alle Zeichen und Inhalte bisheriger Kulturen stehen damit auf...
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Wissen
From xenolinguistics to cephalo­pods

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