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Wissen

Guy Debord war der Christus der ­Avantgarde
Guy Debord war der Christus der ­Avantgarde

Mehdi Belhaj Kacem

Grabmal für Guy Debord

Guy Debord war der Christus der ­Avantgarde, geopfert für seine Ideologie, die er wie kein anderer an ihre äußersten Grenzen ­getrieben, deren Möglichkeiten er alle ausgeschöpft, deren Sackgassen er sämtliche abgeschritten hat. Angesichts seiner maßlosen Ansprüche konnte es dabei weder Erfolg noch Scheitern geben. Seine Wegstrecke kann heute nur nach dem beurteilt werden, was uns nach dem Tod der Avantgarden aufgegeben bleibt. Um es mit Reiner Schürmann zu sagen: Die Wahrheit ist ein »Konflikt ohne Übereinkunft«. Und es liegt an den...
Aktuelle Texte

Dieter Mersch

Digital Disrupture

Theorien des Digitalen beziehen ihre Konjunktur aus einer zweideutigen Lage. Zum einen besitzen sie ihre Herkunft in den Visionen und Utopien der gegenkulturellen Aufklärung der 1970er Jahre, aus denen nicht nur der Personal-Computer, sondern auch die Medienwissenschaften und Medientheorien hervorgegangen sind, die den digital disrupture theoretisiert und unter Reflexion gestellt haben und nach deren Diagnose wir vor einer ebenso nachhaltigen Zäsur stehen wie die frühe Neuzeit mit der Erfindung des Buchdrucks. Alle Zeichen und Inhalte bisheriger Kulturen stehen damit auf dem Prüfstand, werden transformiert und von einer Entwicklung überholt, deren weitere Dynamik kaum absehbar ist. Die mit der Digitalisierung verbundene technologische Wende, so die allgemeine Analyse, werde alle Lebensverhältnisse dermaßen verändern und von Grund auf durchschütteln, dass mit Marshall McLuhan und dessen zusammen mit Quentin Fiore verfassten Buch, dessen Titel ironischerweise nicht lautet: The Medium is the Message, sondern The Medium is the Massage, von einer gründlichen ›Massage‹ des gegenwärtigen...

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Dieter Mersch

Digital disrupture

We really need an analysis of algorithmic conditions and their paradoxes and ambiguities that gives them an adequate framework and horizon. But instead we currently seem to be finding an algorithmic solution of the algorithmic, much as digital solutions are being offered for the problems of the digital public sphere, in the way that IT corporations, for example, use exclusively mathematical procedures to evaluate and delete “fake news,” inappropriate portrayals, or the violation of personal rights. This tends to result in a circularity that leaves the drawing of boundaries and raising of barriers solely to programming, instead of restoring them to our ethical conscience and understanding of what the social could mean today. The machine, by contrast, remains alien to any mechanical limitation—just as its inability to decide lies in the impossibility of self-calculation. The nucleus of digital culture should instead be sought where the cultural of culture is located:...

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    DENKT KUNST? DENKT KUNST!

    Denkt Kunst! Das bedeutet, sie zuallererst angemessen denken zu lernen – das heißt, in Begriffen und Argumenten zu fassen, was sich vorderhand nicht in Form von Begriffen, sondern in Wahrnehmungsgestalten, Figuren, Klängen, Rhythmen und Konstellationen artikuliert. Denkt Kunst? Denkt Kunst!

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Helmut J. Schneider

Eine Phänomenologie des Mitleids

Vom Gefühl und besonders vom Leiden aus ergibt sich kein Weg zur Ethik mitmenschlichen Verhaltens. Die dominierende Gefühlsbetonung im Mitleid verwischt nach Hamburger die Tatsache, dass wir das Leiden des Anderen immer nur im Modus der distanzierten und vermittelten Vorstellung eines Als-Ob erfahren können. Mitleidend leiden wir ohne zu leiden, im Bezug auf das Leiden des Anderen ist nur Teilnahme, nicht aber identifizierende Teilhabe möglich, wie sehr Letzteres auch immer wieder suggeriert werden mag. Hamburger zitiert den Egoismus-Apologeten Max Stirner, man könne zwar nicht die Zahnschmerzen seines Mitmenschen haben, jedoch: »Ihn schmerzt sein Zahn, mich aber schmerzt sein Schmerz.« Man ist versucht, hier an Bill Clintons berühmt-berüchtigtes Bekenntnis zu erinnern, »I feel your pain« (oder Angela Merkels angesichts der leidenden griechischen Bevölkerung »blutendes Herz«). Solche emotionalen Bekundungen können selten ein »Moment des Selbstbezugs«, zugespitzt des narzisstischen Selbstgenusses oder auch Selbstmitleids, verleugnen. Dagegen wird in dem rational verstehenden Bezug der Andere...

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Guy Debord fut le Christ de l’avant-garde.
Guy Debord fut le Christ de l’avant-garde.

Mehdi Belhaj Kacem

Tombeau pour Guy Debord

Guy Debord fut le Christ de l’avant-garde, immolé sur son idéologie, que plus que quiconque (Tzara, Duchamp, Artaud, l’actionnisme viennois…) il aura poussé à son extrême limite. Il en satura toutes les possibilités et toutes les impasses. Il n’y avait, pour ses prétentions démesurées, ni échec, ni réussite. Son parcours doit être aujourd’hui évalué selon d’autres mensurations : celles qu’à point nommé la disparition des avant-gardes nous laisse en héritage. Pour le dire avec Reiner Schürmann : la vérité est une « conflictualité...