»Breaking Bad« handelt von Ausbrüchen (einer Krankheit, aber auch von Aggressionen, Misstrauen und der Pubertät) und stürzt die Zeitordnung um: Wenn man das Leben nicht mehr auf seine Offenheit hin betrachtet, sondern so, als wäre man bald schon tot, dann sieht alles ganz anders aus. Der Sinn des Lebens intensiviert sich und läuft gleichzeitig unaufhaltsam durch das Sieb der Zeit. »Breaking Bad« ist eine neue Variante von Chaplins »Monsieur Verdoux«. Eine schwarze Groteske: zum Totlachen.
It’s a trip!
Albuquerque, New Mexico, eine Stadt in der Wüste und Zentrum des zweitärmsten Bundesstaates der USA bewirbt ihre Schönheiten mit dem Slogan »It’s a trip.« Viele treten ihn an, weil die Stadt unter ihren rund 500.000 Einwohnern fiktionalen Zuwachs bekommen hat: Die Figuren einer Fernsehserie des sogenannten Quality TV, Breaking Bad. Die von Vince Gilligan entwickelte Serie ist diesem Slogan gefolgt: Der Trip ist einer, der aus den kleinbürgerlichen, angloamerikanischen Bezirken der Wüstenstadt mit ihren säuberlich aufgereihten Häusern samt Swimmingpool, Barbecue und Rasenstücken zwischen gefegten Autoauffahrten eher hinaus- als hineinführt. Albuquerque ist eine vorwiegend hispanisch und ›mexican-american‹ geprägte Stadt, deren Viertel segregiert sind. Breaking Bad spielt vornehmlich in den angloamerikanischen Vorstädten, die ›mexicans‹ sind Antagonisten im mafiösen Drogenmilieu oder eifersüchtige Väter, die in Liebesbeziehungen dazwischenfunken. Obwohl die Serie sich wie The Wire (Baltimore) oder Treme (New Orleans) auf einen Ort und seine Umgebung fokussiert, ist der Ort nicht selbst das Thema, sondern lediglich geografisches (Wüstenlandschaft) und soziales (durch die ortsbedingte Nähe zu Mexiko als Zentrum des Drogenhandels) Set für ein Handlungsgefüge, das einer anderen Logik als der eines sozialen Brennpunktes folgt.
In den auf fünf Staffeln verteilten 62 Episoden, die zwischen 2008 und 2013 vom Fernsehsender AMC ausgestrahlt worden sind und die gleichzeitig globale Präsenz auf TV-Screens, im DVD-Format und über Web-Streaming erlangt haben, wird die Geschichte von Walter White, dem Chemielehrer einer örtlichen High School, erzählt, der nach einer Krebsdiagnose, die sein rasches Ende prophezeit, seine chemischen Kenntnisse und Fertigkeiten dazu einsetzt, mit einem ehemaligen Schüler Crystal Meth, die unverträglichste, einträglichste und heiß begehrte chemische Designerdroge, in großem Stil zu produzieren und zu verkaufen. Die Folgen der inneren Zerstörung der Familie und der äußeren Zerstörungsspirale, die auf den sich kreuzenden Bahnen der Drogenkartelle sich hochschraubt, werden in kunstvoll verschränkte Erzählstränge verwoben.
Diese Techniken des Verwebens ergreifen auch den Zuschauer, der am Faden der Erzählung eng in das labyrinthische Geflecht der Ereignisse und Szenarien verstrickt wird. Breaking Bad lässt sich als eine große Erzählung sehen, die entsprechend auch in einem langen atemlosen Zug rezipiert werden kann. Viele folgen diesem Erzählprinzip – oder besser gesagt, sie lassen sich in die Erzählung einsaugen, wenn sie erst einmal mit einer Episode angefixt worden sind. Die Serie, das ist eine Funktion ihrer Erzählform, erzeugt einen Sog, der sich selbst als eine Form von Sucht auswirkt. Die Serien-Fans, die auf dem Breaking Bad-Trip sind, buchen den Trip nach Albuquerque und verwandeln Drehorte in Kultstätten....