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Literatur

Die chosen Metapher für schwangere Transmänner
Die chosen Metapher für schwangere Transmänner

I.V. Nuss

Die Liebe im Konvexen, in der totalen ­Rundung und zur Slutifizierung aller Männer westlich des Bosporus

Ein quallvoll verzogenes Gesicht, die Augen verdreht, der ganze Körper schaudert und verrenkt sich unter Schmerzen. Pressatmung – Wehen. Der Nachwuchs entspringt der Bauchtasche des Männchens, hunderte kleine Seepferdchen strömen aus dem Bauch des Vaters. Es sind albtraumhafte Bilder in Jean Painlevés L'hippocampe (1934), schwarzweiße Aufnahmen des Horrors: platzende Väter, sezierte Tiere, allzu symmetrisch halbiert; ein Skalpel fährt über die dutzenden Eier im zerschnittenen Bauchraum. Beim Kontakt des Messers mit den traubenartigen Organen schaudert es mir. Im schwarzweißen Kontrast sehen...
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Aktuelle Texte

Johannes Binotto

Der Zähmung widersprechen

Von der Zähmung zu sprechen und ihr zu widersprechen muss damit anfangen, das Wort selbst zum Reden zu bringen. »Zahm« – der rätselhafte Ausdruck geht auf dieselben sprachgeschichtlichen Wurzeln zurück wie die Wörter »Damm« und »Zimmer«. Das Zähmen, so macht die Etymologie damit bereits klar, ist ein Akt der Eindämmung, des Abscheidens und der Einpassung. Was einmal gezähmt wurde, hat seither einen klar begrenzten Ort, seine eigene Kammer, in die es fortan nicht einmal mehr eingesperrt werden muss, weil es das Zimmer in Form seiner Zähmung dauernd mit sich herumträgt. Der zahme Bär an der Leine des Schaustellers, wie man ihn noch Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Jahrmärkten vorführte, schien zwar auf dem offenen Dorfplatz zu stehen, steckte dabei aber doch eigentlich im grausamen Käfig seines Dompteurs, den dieser ebenso eng wie unsichtbar um ihn gezimmert hatte.

Noch suggestiver ist da das Französische, wo man das zahme Tier »animal privé«...

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Maël Renouard

Psychopathologie des digitalen Lebens

Früher passierte es uns, Strophen von Gedichten, historische Fakten, theoretische Sätze, lateinische Wörter, etc., zu vergessen, Dinge, die man uns in der Schule lernen ließ, weil die früheren Generationen sie für wesentlich gehalten hatten – oder solche, die wir uns aus Lust, aus eigener Neigung angeeignet hatten, die aber nichtsdestoweniger aus unserem Geist zu entfliehen drohten, wenn wir uns nicht anstrengten, sie festzuhalten. Unser Gedächtnis der äußeren Kenntnisse schien verwundbar und von unserem Willen abhängig, unser persönliches Gedächtnis dagegen hatte etwas von einer Festung. Von Zeit zu Zeit wusste man nicht mehr, wer 1952 Ratspräsident oder 1970 Fußball-Weltmeister gewesen war, aber man konnte sich sagen, dass es zumindest ein Ding gab, das man niemals vergäße oder das man, es sei denn durch einen tragischen Unfall, niemals so vergessen würde wie alles Übrige, nämlich unser eigenes Leben.

Jetzt, da wir mit dem Internet über ein gigantisches mnemonisches Hilfsmittel verfügen, das fähig ist, fast...

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»Ein Angriff auf das Allgemeine durch den Einzelfall«
»Ein Angriff auf das Allgemeine durch den Einzelfall«

James Agee

Projekte; Oktober 1937

An folgenden Projekten arbeite ich, würde sie gerne beginnen oder werde mich ihnen wahrscheinlich wieder zuwenden. Zuerst führe ich sie in einer Liste auf, dann erläutere ich die meisten etwas detaillierter. Aufzeichnungen aus Alabama. Briefe. Eine Geschichte über Homosexualität und Football. Nachrichten. Sich selbst auf den Leim gehen. Ein Wörterbuch der Schlüsselbegriffe. Bemerkungen zur Farbphotographie. Eine Revue. Shakespeare. Ein Cabaret. Wochenschau. Filmtheater. Eine neuartige Bühnen-Leinwand-Show. Antikommunistisches Manifest. Drei bis vier Liebesgeschichten. Eine neue Art Sexbuch. »Glamour«-Literatur. Eine Studie zur Pathologie der »Faulheit«. Eine neue Art Horror-Geschichte.
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Aktuelle Texte

Mário Gomes

Über literarische Sprengkraft

Kaum etwas setzt schneller Rost an als Kriegsgerät und Literatur. Da nützt weder Pflege noch Wartung, am besten ist es, man lässt das Material einrosten und rüstet derweil am anderen Ende nach, erweitert Bestände, feilt an Technologien und poliert vor allem die Oberflächen auf Hochglanz, bzw. man nimmt den einfachen Weg und lässt eine Glanzschicht auftragen – einen feinen, seidenen Film –, denn so geht das heutzutage: man trägt auf. Dieser chemische Glanz der Panzer und Bücher kommt von der Sprühdose. Er hält allerdings nicht lange, sondern schwindet, sobald das Auge sich abwendet, und das Auge wendet sich schnell ab. Wo der Blick dann aber als nächstes hin eilt, glitzert und funkelt es wieder: bei jeder Militärparade wie bei jeder Buchmesse.

Dieser Glanz ist jedoch bei weitem nicht das einzige, was Krieg und Literatur verbindet. Ihre Verknüpfungen sind vielfältig und verworren. Wo Gewalt aufhört und das Schriftzeichen anfängt, ist selten klar,...

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