Die als Sudelbücher bekannt gewordenen Aufzeichnungen des Experimentalphysikers Georg Friedrich Lichtenberg sind nicht aus einem Guss. Erst nach und nach entwickelt Lichtenberg sein individuelles Schreibverfahren. Besonders vehement arbeitet er sich dabei ab 1772 am literarischen Sturm und Drang ab: Zwar teilt er dessen Ansichten über die innovative Kraft der kreativen Sprachverwendung, doch lehnt er dessen Verzicht auf objektive Naturerkenntnis scharf ab. Im Beitrag wird nachvollzogen, auf welche Weise Lichtenberg mithilfe dieser Auseinandersetzung sein Sudelbuch-Verfahren erfindet.

Wenn eine Kultur etwas als Erfindung akzeptiert, dann hat dieses Etwas bereits den Status einer Tatsache erhalten, die vorhanden ist und auf ihren Nutzen oder auf ihre Funktion hin befragt werden kann. Was aber geschieht davor? Wie gewinnt das Erfundene Wirklichkeit? Wie in der Kunst, wie im Theater, wie in der Literatur und Musik, wie in der Wissenschaft? Und mit welchen Folgen? Die Beiträge in diesem Band beschäftigen sich alle mit einem Moment oder einem bestimmten Modell der Invention. Ausgehend von den jeweils involvierten Medien wird der Versuch unternommen, diese Momente und Modelle zu rekonstruieren. Um etwas über die entsprechenden Inventionen in Erfahrung bringen zu können, werden diese als Ergebnisse oder Effekte von Improvisationsprozessen begriffen: Improvisationen in dem Sinne, dass von einem grundsätzlich offenen Zukunftsspielraum ausgegangen wird, gleichzeitig aber auch davon, dass es ein Umgebungs- und Verfahrenswissen gibt, das im Einzelfall beschrieben werden kann.