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Michael Hampe: Existenzielle und wissenschaftliche Revolutionen
Existenzielle und wissenschaftliche Revolutionen
(S. 51 – 68)

Michael Hampe

Existenzielle und wissenschaftliche Revolutionen
Zur Differenz von Wissen und Nicht-Wissen

PDF, 18 Seiten

  • Epistemologie
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Michael Hampe

Michael Hampe

ist Professor für Philosophie an der ETH Zürich und Mitglied des Zentrums »Geschichte des Wissens«, das von der ETH und der Universität Zürich getragen wird. Er studierte Philosophie, Psychologie und Germanistik in Heidelberg und Cambridge und Biologie mit den Schwerpunkten Neurobiologie und Genetik. Er gewann den Gerhard Hess-Förderpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und war Leiter eines interdisziplinären Forschungsprojektes zum Gesetzesbegriff in den Natur-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Seine Arbeitsgebiete umfassen Philosophie und Geschichte der Erfahrungswissenschaften, Kritische Theorie und Metaphysik, Wissenschaft und Öffentlichkeit, Techniken der Selbsterkenntnis.

Weitere Texte von Michael Hampe bei DIAPHANES
David Gugerli (Hg.), Michael Hagner (Hg.), ...: Nach Feierabend 2009

Diese Ausgabe des Zürcher Jahrbuchs für Wissensgeschichte zum Thema Nicht-Wissen geht einer produktiven Grenzziehung nach. Der Unterschied von Dogma und Häresie, die Trennung zwischen Expertenwissen und Laienglauben, das Verhältnis von Validierung und Entwertung sowie die wechselseitige Abhängigkeit von Kanonisierungs- und Stigmatisierungsprozessen – sie alle betreffen jene Differenz, mit der Akteure des Wissens eine Grenze zwischen (ihrem) Wissen und dem Nicht-Wissen (der anderen) ziehen. Doch die Grenzziehung ist prekär und ständig von beiden Seiten bedroht. Neues Wissen führt zu Verunsicherungen, weil es bisheriges Wissen zum Nicht-Wissen degradiert. Umgekehrt lässt Nicht-Wissen sich nur so lange gelassen ignorieren, wie es klar von sicheren Wissensbeständen unterschieden werden kann. Die saubere Trennung von Wissen und Nicht-Wissen gehört zur Sisyphusarbeit aller Akteure des Wissens, dient sie doch der Verteidigung von Wissensbeständen gegen die Angriffe jener, die – im wahrsten Sinn des Wortes – per definitionem zu den Ignoranten gezählt werden. Die ständige Definitionsarbeit ist aber auch deshalb von wissenshistorischer Bedeutung, weil sie die Ignoranz der Akteure des Wissens gegenüber den Grenzen ihres Wissens steigert. Je erfolgreicher ihre Definitionsarbeit ist, desto weniger wissen Wissensträger, was sie nicht wissen können. Was aber würde passieren, wenn Wissensgeschichte diesem Umstand Rechnung trüge und eine Geschichte des Nicht-Wissens mitschriebe? Die Vermutung liegt nahe, dass die Wissensgeschichte das von eifrigen Wissensträgern stets akzeptierte Verbot der Selbstbeobachtung bei der Sisyphusarbeit nicht mehr befolgen müsste.