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Bernhard J. Dotzler: »Nur so kann geschrieben werden«
»Nur so kann geschrieben werden«
(S. 55 – 78)

Kafka und die Archäologie der Bio-Informatik

Bernhard J. Dotzler

»Nur so kann geschrieben werden«
Kafka und die Archäologie der Bio-Informatik

PDF, 14 Seiten

Als Fluchtpunkt der Kontrollmacht gilt heute die Bio-Informatik und mithin das Projekt, das Leben nicht nur von außen, disziplinierend und regulierend, zu erfassen, sondern es von innen, durch die »Einschreibung von Mechanismen in die Organisation des Lebenden« selbst zu programmieren. Der Beitrag von Bernhard Dotzler zeigt, dass es keineswegs einer retrospektiven Metaphorisierung bedarf, um Kafkas Schreiben auch und gerade einem signifikanten Ort in einer Archäologie der Bio-Informatik zuzuweisen – als eine jener »weiteren Quellen«, die über die engere Wissenschaftsgeschichte hinaus auch die soziologische Dimension dieser neuen Machttechnologie erschließbar macht. In dieser Perspektive lässt sich dann beobachten, wie die pervasiven, die Gesellschaft durchdringenden Techniken und Organisationen der Biopolitik, die noch die Erzählwelt des Verschollenen dominieren, in der weiteren Abfolge der Kafka'schen Romane nach und nach verschwinden, um einer mehr geahnten als gewussten Einsicht in einer invasiven Macht zu weichen, die uns nicht bloß von außen beherrscht, sondern in unserem Innern unser Leben regierte.

  • Literaturwissenschaft
  • Diskursgeschichte
  • Nietzsche
  • Franz Kafka
  • Moderne

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Deutsch

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Bernhard J. Dotzler

ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Regensburg. Er war Referent in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates, als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für deutsche Sprache und Literatur sowie Projektleiter am SFB/FK 427: »Medien und kulturelle Kommunikation« der Universität zu Köln, Visiting Lecturer an der University of Cambridge, UK, und Forschungsdirektor für Literatur- und Wissenschaftsgeschichte am Zentrum für Literaturforschung Berlin.

Weitere Texte von Bernhard J. Dotzler bei DIAPHANES
Friedrich Balke (Hg.), Joseph Vogl (Hg.), ...: Für Alle und Keinen

Es gibt kaum zwei andere Autoren der deutschsprachigen Moderne, bei denen das Verhältnis von Sprache und Leben so intensiv verhandelt wird wie bei Friedrich Nietzsche und Franz Kafka. Für Nietzsche, den »gefährlichen Denker« und das »Dynamit« der christlich-abendländischen Werteordnung, wie für Kafka, den »Dichter der Angst« und Experten für Arbeiter-Unfallversicherung, bilden die biopolitischen Dispositive des heraufkommenden Wohlfahrtsstaates und die Verschiebungen, die der Historismus für die Ökonomie des Wissens und die Massenpresse für die Ökonomie der Rede bedeuten, eng aufeinander bezogene Faktoren des Problemgefüges, das ihre Schreibprojekte hervortreibt. Für beide stellt der Doppelcharakter sprachlicher Überlieferung – als Sicherung des kollektiven Lebens und als Unterwerfung des individuellen – eine zentrale schriftstellerische Herausforderung dar, und beide begreifen die daraus resultierende Riskanz einer radikalen Umschrift der durch Lektüre angeeigneten Tradition als ethisches Problem.

Der Band zielt darauf ab, die beiden Antworten auf jene Herausforderung vor ihrem jeweiligen biographischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund gegeneinander zu kontrastieren und sie zugleich als – bis heute gültige – paradigmatische »Haltungen« im diskursiven Feld der Moderne sichtbar werden zu lassen. Indem der Band den »dialogischen« Bezug Kafkas auf Nietzsche auf der Folie diskursiver und medialer Ereignisse und Konstellationen der Zeit motiviert und spezifiziert, lässt er ihn zugleich als vielstimmigen »Polylog« oder sogar unlesbaren »Babellog« quer durch die Kultur und die Wissensfelder des anbrechenden »kurzen 20. Jahrhunderts« (1914–1989) erscheinen.