Sophokles Stück Antigone gehört zu den in Theater, Film und Philosophie am meisten bearbeiteten Werken der Antike – und das nicht ohne Grund. Getrieben von dem Willen ihren Bruder Polyneikes gegen das Verbot durch König Kreon in Theben zu bestatten, ist es Antigones Aufbegehren gegen den Staat, ihre Hingabe an die Familie und ihr tragischer Ausweg in den Selbstmord, die immer wieder neu bearbeitet werden. Antigones rebellischer Geist ist dabei meist das zentrale Moment diverser Interpretationen.
Lasst sie verrotten eröffnet uns eine neue philosophisch-psychoanalytische Dimension des altbekannten Stoffes. Es ist die Beziehung zu ihrem von Unglück verfolgtem Vater Ödipus und das Begehren ihrer Mutter Iokaste, die für die Deutung innerhalb der Psychoanalyse, allen voran durch den französischen Analytiker Jacques Lacan von Bedeutung ist, und die hier aufgegriffen wird. Ausgehend von Antigones radikaler Aussage, sie würde zwar auf Kreons Geheiß hin ihre eigenen Kinder unbestattet ›verrotten lassen‹, nicht aber ihren Bruder, untersucht Zupančič Antigones bizarre familiäre Situation, die Gefährlichkeit eines unbestatteten Toten und die Möglichkeit des Terrors.