Für die, die die Massen im Kreisverkehr satt sind
Aus: Sphex. Krankhafte Phantasien, S. 155 – 170
Es ist die Stunde, da die Betriebsamkeit zu Ende geht, die Stunde zwischen hündischer Plackerei und wölfischer Entspannung am Tagesende, die Stunde, da man die Arbeit sein lässt und, weil es nicht anders geht, satt von Müdigkeit und Verzicht nach Hause geht, die Stunde der Aufwallungen, der Bilanzen, der Launen, der Projekte, die, noch bevor sie gelebt haben, schon gestorben sind, der Reue ohne Schuldgefühl, der physischen Mattigkeit, die das Aufkommen noch der banalsten Unterhaltungen ausbremst, der abgestandensten Ideen, der leeren Formeln, die Stunde, da man naiv glücklich ist, weil man frei ist, und traurig, weil man nicht weiß, was anfangen mit dieser Freiheit, die Stunde, da man sich noch nicht bewusst ist, dass morgen alles wieder losgeht, die Stunde, da man die freie Zeit genießen möchte, Zeit und Freiheit jedoch unfassbar bleiben, die Stunde der happy hour für die sad few, die Stunde, die keine sechzig Minuten dauert, die arbeitslose Stunde, die Dämmerstunde.
Eingezwängt in seinen Dufflecoat, der wie ein hastig geschnürter Sack aussieht, schleppt C, den Kopf und die Glieder schwer, seine lange Figur über den Cours P***. Der von einem herbstlichen Sonnenuntergang gerötete Himmel über ihm erinnert mit seinen grellen Rot- und Purpurfarben, seinen Rußbahnen, seinen karmesinroten Borten und seinen Tierhorden auf der Flucht, für den, der noch die Fähigkeit besitzt, allegorische Möglichkeiten in der Welt wahrzunehmen, an eine ungeheure, von einem wütenden Brand verheerte Steppe. Verdammt schön, sagt er sich, schön wie ein Bild, schön wie eine Landschaft, schön wie die Schönheit selbst, die, die keiner Worte bedarf und sich augenblicklich zu erkennen gibt. Aber was ändert das im Grunde? In der Einsatzleitstelle fünfzig Meter unter der Erde, am Ende eines endlosen weißen Korridors, wo man von einem magnetischen Lesegerät dreimal seine persönliche Identität prüfen lassen muss, muss der städtische Angestellte auf seinen nagelneuen Monitoren das seltsame Verhalten dieses Mannes verfolgen, das den so vorhersehbaren Wegen der gewöhnlichen Ortsveränderungen widerspricht. C schwankt nämlich. Er ist jedoch weder betrunken noch krank. Nur ein bisschen unaufmerksam und wankelmütig. Er lässt sich treiben, geht an der Statue von Bartholdi vorbei, die ihn hoch aufgerichtet, hochmütig und souverän mit den Augen mustert, den Blick verloren im Himmel der Ideen, das Gesicht sanft und untadelig, die Fackel gerade hochgereckt gleichsam als die strenge Affirmation des Vertrauens auf sich selbst. Rund um dieses unwahrscheinliche Paar zeigt die Straße ihr übliches abendliches Brodeln:...
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ist Schriftsteller und Philosoph phänomenologischer Ausrichtung und hat sich als Autor literarischer Essays und Erzählungen einen Namen gemacht. Er forscht zur Urbanität, zum Allgemeinplatz und zum Alltäglichen, hat das amerikanische Motel in all seinen Facetten beschrieben und unterrichtet derzeit an der Universität Bordeaux.