Nutzerkonto

Anselm Franke, Bruno Latour: Engel ohne Flügel
Engel ohne Flügel
(S. 97 – 109)

Ein Gespräch

Anselm Franke, Bruno Latour

Engel ohne Flügel
Ein Gespräch

PDF, 13 Seiten

Anselm Franke und Bruno Latour diskutieren Animismus im Kontext der »modernen Verfassung«, die im Denken eine absolute Grenze zwischen Kultur und Natur zieht, diese Grenze aber in ihren Praktiken sogleich wieder überschreitet. Für Latour liegt die Schwierigkeit nicht darin, Animismus zu verstehen – nichtmenschliche Akteure hatten immer Handlungsfähigkeit. Erklärungsbedürftig ist vielmehr die Szene, in der der Animismus zum Anderen jenes seltsamen Naturalismus wurde, der die Seele ausstreicht und die Materie für tot erklärt, um sie dann mit Sprache auszustatten und die Fakten für sich sprechen zu lassen. Wenn die »Verfassung« nie gelebt wurde, so stellt sich für Franke die Frage nach den Realitäten, die sie als Szenographie produziert hat. Das moderne Konzept des Nicht-Animierten und sein negativer wie imaginärer Spiegel, der Animismus, trugen einerseits zu Ausbeutung und Auslöschung der Nicht-Modernen bei. Andererseits produzierten sie zugleich eine moderne Psychopathologie, die zwischen Allmachtsphantasien und vollständiger Ohnmacht hin- und herspringt. In diesem Sinne scheinen moderne Kunst und Bildökonomien, die auf der einen Seite die Dualismen beständig unterlaufen, um sie auf der anderen Seite sogleich wieder zu bestätigen, in derselben paradoxen Szenographie gefangen.

  • Anthropologie
  • Theoriebildung
  • Kulturtransfer
  • materialist turn
  • Spiritismus
  • Ethnologie
  • Diskursgeschichte
  • Ritual
  • Moderne
  • Religion

Meine Sprache
Deutsch

Aktuell ausgewählte Inhalte
Deutsch, Englisch, Französisch

Anselm Franke

Anselm Franke

leitet seit 2013 den Bereich Bildende Kunst und Film am Haus der Kulturen der Welt. Er arbeitete als Kurator an den KW Berlin und leitete die Extra City Kunsthal in Antwerpen. Franke promovierte am Goldsmiths College, London.

Weitere Texte von Anselm Franke bei DIAPHANES
Bruno Latour

Bruno Latour

ist Soziologe, Wissenschaftstheoretiker, Anthropologe und Philosoph. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Wissenschafts- und Techniksoziologie, er ist einer der Begründer der Akteur-Netzwerk-Theorie.

Weitere Texte von Bruno Latour bei DIAPHANES
Irene Albers (Hg.), Anselm Franke (Hg.): Animismus (alte Auflage)

Der »Animismus« ist eine Erfindung der Ethnologie des 19. Jahrhunderts, geprägt auf dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus. Animisten bevölkern die unbelebte Natur mit Seelen und Geistern. Das erklärt man als eine die materielle Realität verkennende »Projektion«, durch die den Dingen und der Natur Leben und Handlungsmacht zugeschrieben wird. Animismus wird so zum Gegenbild moderner Wissenschaft, zum Ausdruck eines »Naturzustands«, in dem Psyche und Natur als ungeschieden gelten. Wenn sich letzthin ein neues Interesse am Animismus herausgebildet hat, liegt das nicht daran, dass der Begriff als wissenschaftliche Kategorie rehabilitiert wurde. Vielmehr ist die kategorische Trennung von subjektiver und objektiver Welt selbst in Bewegung geraten. Der Band versammelt zentrale Texte dieser Debatte, die hier erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.