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Erhard Schüttpelz: Auf der Schwelle zwischen Animismus und Spiritismus
Auf der Schwelle zwischen Animismus und Spiritismus
(S. 153 – 171)

Der »Geisterangriff« auf Edward Tylor, London 1872

Erhard Schüttpelz

Auf der Schwelle zwischen Animismus und Spiritismus
Der »Geisterangriff« auf Edward Tylor (London 1872)

PDF, 19 Seiten

Schüttpelz analysiert in diesem Aufsatz die Ökonomie, die Edward B. Tylors Besuch einer spiritistischen Séance und seine spätere Konzeptualisierung dieser Erfahrungen organisiert. Tylor tritt als Entzauberer des Spiritismus an, driftet aber dann selbst für einen Moment in eine Trance ab. In der Analyse dieser Szene gelingt es Schüttpelz, eine grundlegende strategische Operation kolonialer Diskurse und ihre paradoxe Rückspiegelung in einem innereuropäischen, entschieden modernen Kontext zu verdeutlichen: Tylor gelingt es nachträglich, seine Tranceerfahrung zu normalisieren, indem er auf sich selbst einen Topos anwendet, der ihm in seinem Hauptwerk Primitive Culture zur Charakterisierung des Magiers diente: Er ist zugleich »Betrüger und Betrogener«, es geht zugleich um bewusste (Selbst)täuschung und unbewusstes Getäuschtwerden. Tylor kann die eigene Geistererfahrung nur verneinen, in dem er sich selbst als »Betrüger und Betrogener« und damit in der Konsequenz seiner Logik als Magier und Animist denunziert.

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Erhard Schüttpelz

ist Professor für Medientheorie an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Literatur- und Mediengeschichte der globalisierten Moderne, Wissenschaftsgeschichte der Medientheorie und der Ethnologie. Seine Arbeiten kreisen um eine Auslegung der Moderne, die sich ihrem Komplement, dem Konzept des »Primitiven«, zuwendet.

Weitere Texte von Erhard Schüttpelz bei DIAPHANES
Irene Albers (Hg.), Anselm Franke (Hg.): Animismus (alte Auflage)

Der »Animismus« ist eine Erfindung der Ethnologie des 19. Jahrhunderts, geprägt auf dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus. Animisten bevölkern die unbelebte Natur mit Seelen und Geistern. Das erklärt man als eine die materielle Realität verkennende »Projektion«, durch die den Dingen und der Natur Leben und Handlungsmacht zugeschrieben wird. Animismus wird so zum Gegenbild moderner Wissenschaft, zum Ausdruck eines »Naturzustands«, in dem Psyche und Natur als ungeschieden gelten. Wenn sich letzthin ein neues Interesse am Animismus herausgebildet hat, liegt das nicht daran, dass der Begriff als wissenschaftliche Kategorie rehabilitiert wurde. Vielmehr ist die kategorische Trennung von subjektiver und objektiver Welt selbst in Bewegung geraten. Der Band versammelt zentrale Texte dieser Debatte, die hier erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.