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Martin A. Ruehl: Kentaurenkämpfe
Kentaurenkämpfe
(S. 23 – 72)

Jacob Burckhardt und das Allgemeine in der Geschichte

Martin A. Ruehl

Kentaurenkämpfe
Jacob Burckhardt und das Allgemeine in der Geschichte

PDF, 50 Seiten

Die Geschichte setzt sich mit der Frage auseinander, ob es bei aller Kontingenz der historischen Ereignisse so etwas gibt wie eine allgemeine Entwicklung oder allgemeine Charakteristika, die es beispielsweise erlauben, eine Epoche wie die Antike oder das Mittelalter als einheitlich zu definieren und Epochen voneinander abzugrenzen. Dieser Frage widmet sich Martin Ruehl in seinem Beitrag über Jacob Burckhardt und das Allgemeine in der Geschichte. Ausgehend von dessen Basler Vorlesungen Über das Studium der Geschichte, heute besser bekannt unter dem Titel Weltgeschichtliche Betrachtungen, diskutiert Ruehl die geschichtsphilosophischen und methodologischen Debatten des 19. Jahrhunderts. Anhand der von Hegel aufgeworfenen Frage, ob es so etwas wie einen Sinn und einen progressiven Verlauf der Weltgeschichte gebe, stellte sich auch für Burckhardt die alles entscheidende Frage der Geschichtswissenschaft: Wie können Historiker in all den Details das Verbindende, eben das Allgemeine finden? Im scharfen Gegensatz zu Marx, der in den sozialen Verhältnissen und ökonomischen Produktionsbedingungen den Motor der geschichtlichen Dynamik erblickte, argumentierte Burckhardt für das Primat der Kulturgeschichte, jener geistigen und künstlerischen, philosophischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die aufeinander bezogen den allgemeinen geistigen Zusammenhang der Geschichte ausmachen. Diese Konzeption des Allgemeinen in der Geschichte wurde von Burckhardts Zeitgenossen nicht zu Unrecht als idealistisch und im Hinblick auf andere Strömungen der Geschichtsphilosophie seiner Zeit als eher konservativ bezeichnet. Doch wie Ruehl eindringlich zeigt, ist dieser vordergründige Konservativismus methodisch innovativ, weil im Begriff des Allgemeinen die »poetischen Erkenntnis- und Darstellungskräfte des Historikers« einen Fluchtpunkt finden, von dem ausgehend die vielfältigen Quellen und Ereignisse der Geschichte zu einer konsistenten kulturhistorischen Deutung legiert werden können.

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Martin A. Ruehl

ist Fellow des Sidney Sussex College und des Department of History an der University of Cambridge.

Michael Hagner (Hg.), Manfred D. Laubichler (Hg.): Der Hochsitz des Wissens

Der Begriff des Allgemeinen steht gemeinhin für den Gegensatz zum Besonderen, zum Einzelnen oder auch zum Teil(-weisen). Zum Allgemeinen vorzustoßen bedeutet, einen größeren Horizont abzustecken, der die Voraussetzung für weitergehende Erkenntnis bildet, aber auch gewisse Risiken mit sich bringt. In den Wissenschaften wird das Allgemeine erst im 19. Jahrhundert zu einer zentralen epistemischen Ordnungskategorie.

In dem Band geht es um die Wiedereingliederung von konzeptuellen und theoretischen Aspekten in die Wissenschaftsgeschichte nach dem »practical turn«. Das Allgemeine wird als praktisch relevanter Grundwert der Wissenschaften verstanden, mittels dessen Wissen generiert, strukturiert, verändert bzw. überhaupt erst verfügbar gemacht wird. Die Beiträge zeigen, wie das Allgemeine etwa in Biologie, Medizin, theoretischer Physik, Kultur- und Kunstgeschichte sowie der Philosophie zur Geltung gebracht wird. Wollte man diese scheinbare Vielfalt auf einen Nenner bringen, so könnte man vielleicht sagen: Zweifellos steckt der Teufel im Detail, doch zumindest das Versprechen auf höhere Erkenntnis steckt im Allgemeinen.

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