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Simon Critchley, The International Necronautical Society, ...: Offizielle Mitteilungen

Simon Critchley, The International Necronautical Society, Tom McCarthy

Offizielle Mitteilungen

Übersetzt von Michaela Grabinger, Sven Koch, Astrid Sommer, Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck

Broschur, 160 Seiten

Wir sind alle Nekronauten, immer schon

Fröhlich-parasitär nährt sich die International Necronautical Society von den verblichenen Avantgarde-Bewegungen des letzten Jahrhunderts, seien sie künstlerischer, kultureller oder politischer Natur. Ihre Manifeste, Berichte und Verlautbarungen, ihre Agenten­tätigkeit, ihre Sitzungen, Nachrichtensendungen und Anhörungen werden seit 1999 penibel dokumentiert. Der Band versammelt eine Auswahl offizieller Mitteilungen der INS aus den Jahren 1999 bis 2010, die hier erstmals in deutscher Sprache zugänglich sind.

»Manchmal fragt man uns: Wie kann ich beitreten? Wie wird man ein Nekronaut? Falsche Frage. Wie Absatz 3, Zeilen fünf und sechs des Ersten Manifests der INS klar zum Ausdruck bringt, schamlos abkupfernd bei der ausgelaugten Sprache der Dekonstruktivisten: ›Wir sind alle Nekronauten, immer schon‹. Unser Auftrag ist die Verbreitung dieser Tatsache: nicht als begreifbares Wissen, sondern eher so, wie Molly Bloom ihrem Gatten den Mund mit Mohnkuchen füllt, diesen Moment dann wiederholt, mit einem stillen Ja.«

Transmission, Death, Technology 



Typ:

General Secretary‘s Report to the International Necronautical Society



Autorisiert durch:

Tom McCarthy



Autorisierungscode:

TMC061203



[Dokument nachfolgend]


1


Calling All Agents ist mein zweiter Bericht für die Internationale Nekronautische Gesellschaft (International Necronautical Society, INS). Mein erster, Navigation Was Always a Difficult Art (Navigation war schon immer eine schwierige Kunst), der während unseres Gastaufenthalts am österreichischen Kulturforum (London, 2001) entstand, beschäftigte sich mit den Themen Kartographie, Handwerk, Materie und Gesang. Diese Themen entwickelten sich anhand gewisser ›Knoten‹, ›Figuren‹ oder ›Momente‹: Melvilles Queequeg, der seine Tätowierungen auf einen Sargdeckel überträgt, Shakespeares Ariel, der Ferdinand mit seinem Gesang über Prosperos Insel führt, Donald Campbell, der im See Coniston Water mit seiner Bluebird verunglückt, und so weiter. Gegen Ende dieses Berichts wurde ein bestimmter Moment, oder, besser gesagt, eine Reihe von Momenten besonders bedeutsam: Die Szenen aus Jean Cocteaus Film orphée (1950), in denen der Protagonist des Films kurze Gedichtzeilen aus einem Radio empfängt, die von einem unbekannten Sender übertragen werden. Diese Szenen beschäftigten die INS in den darauffolgenden Monaten. Wir vermuteten, dass sie ein Code waren für weiterreichende Prozesse – nicht nur Cocteaus Film betreffend, sondern auch allgemeiner Kunst, Leben und das, was Anthropologen und Psychoanalytiker als symbolische Ordnung bezeichnen. Diese Vermutung verdichtete sich, so dass sich der INS-Vorstand entschloss, eine Rundfunkstation und, indem andere Sender dazu animiert wurden, ihr Signal zu übernehmen, ein Übertragungsnetzwerk aufzubauen.


Um dieses Projekt vorzubereiten, luden wir in die Londoner Cubitt Gallery zu Anhörungen ein, die um die Themen Übertragung, Tod und Technologie kreisten (Second First Committee Hearings: Transmission, Death, Technology; 16. November 2002). In einem von Laura Hopkins gestalteten Raum wurden Autoren und Künstler mit Kenntnissen in den Bereichen Sound, drahtlose elektronische Kommunikation, Verschlüsselungstechniken und Rundfunkübertragung von einer Delegation befragt, die aus mir, dem INS-Propagandachef Anthony Auerbach (archivarische und erkenntnistheoretische Kritik) und dem Autor und Rundfunkexperten Zinovy Zinik bestand.


Nachdem Aufzeichnungen der Hearings im Radio gesendet worden waren, kamen Angebote von Redakteuren und Web-Programmierern großer Nachrichtenagenturen, unsere Propaganda in das Programm und den Quellcode ihrer Auftraggeber zu übernehmen. Kurz darauf bot uns das ICA (Institute of Contemporary Arts, London) an, als Gastgeber für die erste offizielle Inkarnation unserer Sendestation zu fungieren. Wir nahmen die Einladung an. Eine UKW-Lizenz wurde beantragt und für die erste Aprilwoche 2004 genehmigt.


Bevor wir senden können, müssen die bei den Hearings gemachten Aussagen analysiert werden. Das habe ich getan. Der vorliegende Bericht fungiert als Brücke zwischen den Hearings und der Sendestation und erläutert, wie sie funktionieren wird.


2


Rufen wir uns die Details von Cocteaus Film ins Gedächtnis zurück. Sein Thrakien ist zweifelsohne ein modernes, ein französisches, eine Maschinenwelt. Nach einer Schlägerei vor dem Café des Poètes ruft Heurtebise, ein Chauffeur, der sich als Engel entpuppt, von einer öffentlichen Telefonzelle aus die Polizei, die mit der grünen Minna anrückt. Im darauffolgenden Gemenge wird Jacques Cégeste, der jüngste und betrunkenste der Dichter, von zwei schnellen Motorradfahrern getötet, die sich als Unterweltagenten entpuppen. Cégestes Gönnerin, eine fremde Prinzessin, die sich als Tod entpuppt, lässt ihn in ihr Auto verfrachten und bittet Orphée – ohne ersichtlichen Grund –, sie zu begleiten. Als sie aus der Stadt fahren, weist die Prinzessin Heurtebise an, das Radio einzuschalten. Wir hören die erste Nachricht: Le silence va plus vite à reculons. Trois fois. »Die Stille geht schneller, wenn sie rückwärts abgespielt wird. Dreimal.« Die Meldung wird wiederholt, dann folgen Morsezeichen. Während sie ihre Fahrt durch die Nacht fortsetzen, verkündet eine weitere Meldung, die ebenfalls wiederholt wird, dass ein einziges Wasserglas die Welt erleuchtet, und eine dritte, dass Spiegel gut daran täten, mehr zu reflektieren.


Als das Auto an einem verlassenen Haus ankommt, verschwinden die Prinzessin und Cégeste durch einen Spiegel. Heurtebise fährt Orphée nach Hause und stellt das Auto in dessen Garage ab. Orphée verbringt die nächsten Tage überwiegend im Auto und hört Radio, aus dem immer neue Meldungen kommen: »Der Vogel singt mit seinen Fingern. Zweimal. Ich wiederhole. Der Vogel singt mit seinen Fingern.« »Das Trauerband der kleinen Witwen ist ein echtes Fest des Sonnenlichts. Zweimal.« Es stellt sich heraus, dass sie von Cégeste stammen, den wir oben in Orphées Schlafzimmer mit Sendeanlage und Morsetaste sehen, zu deren Rhythmus die Lampen im Zimmer flackern, an- und ausgehen. Jupiter rend sages ceux qu’il veut perdre. Attention, écoute. »Jupiter macht weise, wen er verlieren will.« Orphée, der berühmteste Dichter der Welt, stellt fest, dass eine einzige Zeile davon mehr wert ist als sein gesamtes Œuvre. Er schreibt die Meldungen auf und veröffentlicht sie in der Zeitung, was dazu führt, dass ihm selbsternannte Avantgardisten eine Strafpredigt halten und ihn bezichtigen, nicht völlig ungerechtfertigt, Cégestes Werk gestohlen zu haben, oder, weniger plausibel, Cégeste gefangen zu halten und ihn unter Zwang Gedichte verfassen zu lassen – oder gar, ihn umgebracht zu haben. Die Avantgardisten senden ihm eine eigene Nachricht, eine Todesdrohung in Spiegelschrift. Schließlich kommen sie als brüllender Mob in Autos angefahren, töten ihn mit seiner eigenen Waffe und befördern ihn für immer in die Unterwelt. Nun ja, nicht ganz: Es wird eine überraschende Wendung geben.


Cégestes Nachrichten sind, wie ihm die Prinzessin mitteilt, trouvailles tout à fait exquises: erlesene Fundstücke – lyrische Fragmente, miniaturisiertes Zelebrieren von Schweigen und Wiedergabe, Illumination, Trauer und aviarer Übertragung, von Göttern, Weisheit und Verlust. Sie scheinen von einer mathematischen Ordnung zusammengehalten, werden durch Listen von Zahlen eingeleitet, die aufgezählt und wiederholt werden. Als Orphée etwa in der Mitte des Films selbst die Unterwelt betritt, stößt er auf Cégeste, der vom Strafgericht – auf das unsere Hearings anspielen – befragt wird, wie er sie generiert habe. »Oh«, antwortet er, »ich habe Sätze und Zahlen erfunden. Ich habe sogar Sätze gesendet, die ich bereits geschrieben hatte.« Was Cocteau hier macht, sowohl mithilfe Cégestes als auch durch die Cégeste-Orphée-Konstellation – die Übertragungen zwischen den beiden Männern und darüber hinaus – etabliert eine Ästhetik der Wiederholung. Orphée, der offizielle Autor der Fragmente, ist nicht ihr Urheber, sondern eher der, der sie wiederholt und dessen Dichtkunst zuerst und vor allem aus Zuhören besteht. Cégeste (den wir nie beim Verfassen der Meldungen sehen, sondern nur dabei, wie er sie immer wieder und wieder wiederholt) ist ebenfalls ein Zuhörer, wenn er auch nur sich selbst zuhört.


Diese Ästhetik deckt sich vollkommen mit einem Gedanken Martin Heideggers, der in »Der Weg zur Sprache« (1959) schreibt, dass »[a]llein den ihr Gehörenden die Sage das Hören auf die Sprache [gewährt] und so das Sprechen«. Denken, sagt Heidegger, soll ebenfalls die Form des Hörens annehmen: wie wir sehen, wie alles – die Welt, das Sein, Himmel, Zeit usw. – zusammenhängt und wie die Sprache selbst funktioniert. Der Philosoph muss dem zuhören, was Heidegger in ›Das Wesen der Sprache‹ (1957) Zusage nennt, »das zu-Sagende«: »das hier gemeinte Hören ist der Zusage als der Sage zugeneigt, mit der das Wesen der Sprache verwandt ist.« »Das Sprechen ist von sich aus ein Hören«, befindet er. »Es ist das Hören auf die Sprache, die wir sprechen. So ist denn das Sprechen nicht zugleich, sondern zuvor ein Hören.« Écoute, sagt Cégeste – wie bei einer französischen Sprachlernkassette, die einen zu écouter et repéter auffordert; écoute, »hör zu«; Cégeste hört sich innerlich selbst zu, bevor er die Meldungen wiederholt, die Orphée hören und dann wiederholen wird. Für Cocteau wie für Heidegger besteht das Sprechen – wahre Sprache, die Sprache der Dichter und Philosophen – aus Zuhören, und Sprechen-als-Zuhören ist Wiederholung.


Die Zeugen, die zu den Cubitt-Hearings kamen, waren durchweg erfahrene Zuhörer, und auch erfahrene Zuhörer-Wiederholer. Manu Luksch und Mukul Patel berichteten uns von ihrem Forschungsaufenthalt am Internationalen Zentrum für Radio­astronomie in Ventspils, einem ehemaligen sowjetischen Spionagestützpunkt in den lettischen Wäldern. Sie empfingen dort analoge Telefongespräche und sendeten sie weiter, mithilfe zweier gigantischer Parabolantennen. Ken Hollings berichtete von seiner Zusammenarbeit mit der Rockband Biting Tongues: Er hatte zuvor aufgenommene Sounds in ihre Live-Performance eingespeist, einen geloopten Stimmenstrom, zusammengesetzt aus Fragmenten aus Kurzwellenradio und Fernsehen. Heath Bunting bekannte, viel Zeit damit verbracht zu haben, mit dem Fahrrad herumzufahren, einen Radioscanner auf dem Rücken, mit dem er Polizeifunk abhörte; er hatte auch unzählige Piratensender gefunden, über die er, statt neue Inhalte zu entwickeln, die Inhalte anderer Sender erneut sendete. John Cussans erklärte, dass er in seinen Arbeiten Versuche, mit den Toten über Radio und Tonbänder in Kontakt zu treten, recherchiert und bearbeitet habe, Geschichten über »Wahrnehmungsfähigkeiten«, die die Grenze zwischen Biologischem und Technologischen verschwimmen lassen, indem sie verkünden, die Hauptaufgabe, um die es gehe, sei die Perfektionierung unseres eigenen Hör-»Apparats«. Weder Cussans noch Hollings machten einen Hehl aus ihrer Bewunderung für William Burroughs, für den Mensch und Gott Tonbänder sind und das Bewusstsein ein Apparat, der in einer Sieben-Sekunden-Endlosschleife sensorische Explosionen von ›Jetzt‹-heit generiert. Die Burroughs’sche Ahnung, dass das Universum aus Aufzeichnungen bestehen könnte, löste eine der lebhaftesten Diskussionen der Hearings aus. Zinik fragte Hollings, ob er jemals auf einen ›originären‹ Ton gestoßen sei – oder ob ein solcher überhaupt vorstellbar sei. Hollings Antwort war unmissverständlich: »Nein und nein.«


Die Aussagen gaben nicht nur Beispiele für Zuhören und Wiederholung, sondern auch für Modifizierung, Manipulation oder Mutation – kurz, für Transformation. Luksch und Patel beschrieben ihre Arbeit in Ventspils als ›sampeln‹: als umwandeln und neuarrangieren von gefundenen Fragmenten, um Klangkunst zu erzeugen. Hollings hatte für seine Zusammenarbeit mit der Berliner Techno-Band Rechenzentrum George W. Bushs »Krieg dem Terrorismus«-Rede abwechselnd verlangsamt und beschleunigt. Cerith Wyn Evans sprach, als er über die Logik der Übertragung gefundener Slogans durch das zufällig entdeckte Medium Feuerwerk befragt wurde, von seinem Wunsch, »Dinge übereinander zu stapeln«, um »Collage, Polyphonie« zu generieren, eine »merkwürdige Verstrickung der Dinge« zu erhalten, so dass sie »von verschiedenen Radiosendern« zu kommen scheinen. Cussans beschrieb, dass für die frühen »transkommunikativen« Tontechniker Konstantin Raudive und Friedrich Jürgenson die Toten in einer polyglotten Kakophonie reden, die der Wissenschaftler anhören und deren Sequenzen er isolieren und dann sinnvoll neu zusammensetzen muss. Jane Lewty berichtete uns von den multiplen, multi-linguistischen und höchstwahrscheinlich toten Stimmen, die sich aus dem Radio neben dem Bett des Helden aus James Joyce Finnegans Wake ergießen, der sich, genau wie Orphée, durch das Spektrum bewegt, während er am Drehknopf fummelt. Der tote Cégeste ist auch eine Art Drehknopf-Fummler, der Fragmente aus der Luft greift, sie sampelt und miteinander verwebt, Zahlen einfügt, Sequenzen neu zu Wiederholungsschleifen montiert. Genauso macht es auch ein weiterer Joyce’scher Held, Stephen Dedalus aus dem Ulysses, der am Strand steht und Töne und Phrasen durch sich hindurchrauschen lässt, von seinen elastischen Backen und Kieferknochen zu Wellen modelliert: »uuiiihah«, »Mund ihrem Kuß… Mund dem Kuß ihres Mundes … Mund ihrem Schoß… Schluft, allumschoßende Gruft.«


Dem Zuhören, Wiederholen und Mutieren/Verändern sollte man noch Relokation/Verlagern hinzufügen. Jede Übertragung (im Deutschen auch Sendung* genannt), ist ein Verlagern von einem Ort zum anderen – Bunting hat das erfahrbar gemacht, indem er Hackney-Radiosender in Tokio übertrug und Tokio-Sender in Kanada. Die Klanglandschaften, die Luksch und Patel aus den Satellitenschüsseln herauskitzelten, waren ebenfalls voller Wanderbewegungen: Sie spielten während der Hearings eine Konversation vor, halb Englisch, halb Tamilisch: Ein Sohn auf einem Schiff und sein an Land befindlicher Vater unterhalten sich über ihre Frauen – eine kleine Familiengeschichte, aufgeschnappt im Verlauf ihrer Reise um die halbe Welt. Ein etwas bedrohlicherer Austausch zwischen Schiff und Land wurde von einem ihrer Mitarbeiter im Zentrum für Radioastronomie eingefangen: Ein Schiffskapitän im Indischen Ozean fragt bei der südafrikanischen Küstenwache an, welches rechtliche Verfahren für auf seinem Schiff entdeckte blinde Passagiere anzuwenden sei. So wie bei der hysterisch umkämpften Praxis des ›WarChalking‹, bei der WLAN-Aktivisten die Orte markieren, an denen sich offene Zugänge zu lokalen Netzen befinden, Firmen-Bandbreite, die in den öffentlichen Raum ausfranst, richten auch diese telekommunikativen Interventionen den Fokus auf die Regeln, die den Raum bestimmen.


Es liegt auf der Hand, dass dieser ganze Bereich in höchstem Maße politisch aufgeladen ist. Jacques Derrida weist in Die Postkarte von Sokrates bis an Freud und jenseits darauf hin, dass die Frage der Macht zuallererst eine Frage der Post und der Telekommunikation sei. Wie Cussans uns in Erinnerung rief, sind die Massenmedien ein Werkzeug der Massenmanipulation. Lewty skizzierte die Karriere eines anderen Joyce, William, besser bekannt als Lord Haw Haw, der nach einem Literaturstudium in Oxford Radio-Propagandist für die Kriegsmaschinerie der Nazis wurde. Ist Cégeste Propagandist für ein Regime des Todes? Vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass seine poetischen Nachrichten auf den tatsächlich von der BBC während des Zweiten Weltkriegs ins besetzte Frankreich übertragenen Meldungen beruhten (soviel erzählt uns Cocteau in der Einleitung zum Drehbuch). Medien als Manipulation: Für Burroughs funktioniert die »Kontrollmaschine«, die staatliche und private Interessen gewährleistet, durch Wiedergabe und Wiederholung. Um sie zu unterbrechen, bedarf es der »gegenaufnahme und wiedergabe«. Man nehme ein Aufnahmegerät und bewege die Dinge hin und her: Geräusche, Orte, Situationen. Das funktioniert sowohl in Bezug auf die Zeit als auch auf den Raum: »mischen sie gestern mit heute und sie hören morgen ihre zukunft«, lautet Burroughs’ Anweisung aus dem Aufsatz ›Die unsichtbare Generation‹. Man kann sogar »Ereignisse säen«, einen Aufstand provozieren, indem man Krawallgeräusche während einer friedlichen Demonstration abspielt: Schreie, Schüsse usw. Wie Hollings klar machte, aktualisierte Burroughs lediglich Techniken, die schon de Sade benutzte, als er in der Bastille eingekerkert war: Als er sah, wie sich draußen Menschenmengen zusammenrotteten, steckte er das Abflussrohr seines Pissoirs durch die Gitterstäbe, benutzte es als Megaphon und verkündete, dass die Obrigkeit die Gefangenen exekutiere (was sie nicht tat) und führte so den entscheidenden Moment der Französischen Revolution herbei.


Und doch hinterließen die Hearings den Eindruck, dass (wie Gil Scott Heron es ausdrückt), wenn die Revolution nicht im Fernsehen übertragen wird, ihr Nukleus vielleicht auch nicht auf Tonband aufgenommen oder im Äther übertragen werden kann – oder, falls doch, dann in Form von Schweigen. Für Heidegger ist alles auf das Ungesagte zurückzuführen: Das Sein ruft uns (an), aber in der unheimlichen Form des Schweigens. Burroughs revolutionärer Tatendrang erweitert sich zu einer Transformation der Sprache, die hilft, das »IST« der Identität abzuschütteln: Diese Sprache, so teilt er uns mit, wird eine hieroglyphische sein, die »einem die Möglichkeit gibt, zu schweigen«. Hollings diskutiert in einem Text Burroughs’ Ansatz: »Aufgenommenes Schweigen wird erst im Moment seiner Wiedergabe zu einem politischen Akt.« Hier klingt Cégestes erste Nachricht an. Hollings schrieb einen Beitrag für Violent Silence (ein Buch über Bataille), arbeitete mit John Cage zusammen und leitete zur Zeit der Hearings ein Forschungsprojekt zu den gelöschten Passagen der Watergate-Tonbänder Nixons. Wir fragten ihn, was er damit gemeint hatte: »Aufgenommenes Schweigen wird erst im Moment seiner Wiedergabe zu einem politischen Akt.« »Ein leeres Band abspielen«, sagte er, »von etwas das Siegel brechen, es in ein Abspielgerät stecken und sich anhören ist ein Akt der Verweigerung.« »Es gibt da also eine Art unveräußerliches Schweigen, das irgendwie verschlüsselt ist?«, fragte Anthony Auerbach nach, »und das enthält möglicherweise das revolutionäre Moment?« »Genau«, sagte Hollings. Das ist das brutale Schweigen von Shakespeares Cordelia, die ihrem Vater »Nichts« sagt – ein einziges Wort, das zur allgemeinen Vernichtung führt, zu Kriegen und Wahnsinn; oder von Stephen Dedalus, selbst ernannter »Cordoglio«, der, als »der Zeit bleifahle Schlußflamme« aufspringt und er »den Untergang allen Raums, zerschmettertes Glas und stürzendes Mauerwerk« herbeiführt, »Nothung!« sagt. »Vielleicht«, schlug ich vor, »sollte unser Radioprojekt nach diesem Schweigen suchen« – ein Vorschlag, auf den Hollings antwortete: »Das würde ich sehr empfehlen«, und das sollte der letzte Austausch der Hearings gewesen sein.


3


Die BBC-Gedichtfragmente aus Kriegszeiten, auf denen Cégestes Meldungen basieren, waren mehr als bloß Meldungen: Sie waren codierte Meldungen. Bekannt als en clairs, Klartext, waren die Mitteilungen, durch die London in die Lage versetzt wurde, die von Agenten in Frankreich mit der Résistance entwickelten Pläne in die Tat umzusetzen, sequenziert in ›Dummy‹-Wendungen verpackt. Wie Cégeste sendeten diese Agenten – zurück nach London, mit hohem persönlichen Risiko. Deutsches Funkpeilungsgerät (d.h. die Signalverfolgung) wurde im Laufe des Krieges immer ausgereifter; war ein Agent ›gepeilt‹, war alles hin*. Um ihre Nachrichten zu übermitteln, benutzten die Agenten einen in einer Gedichtzeile versteckten ›Transpositionsschlüssel‹. Damit die Nachricht für London lesbar war, mussten sie Zeilen des ausgewählten Gedichts morsen.


Leo Marks hat diesen Vorgang ausführlich in Between Silk and Cyanide: A Codemaker’s Story 1941–1945 beschrieben. Marks, dem im Alter von 24 Jahren eine ganze SOE-Einheit (Special Operations Executive) unterstand, die Meldungen von Agenten aus dem gesamten besetzten Europa empfing, hatte zwei Hauptaufgaben: Codes festzulegen und Codes zu entschlüsseln. Viele der Meldungen, die aus den Einsatzgebieten gesendet wurden, waren durch atmosphärische Interferenzen oder Fehler auf Seiten des sendenden Agenten ›verstümmelt‹ und mussten genauso wie feindliche Codes entschlüsselt werden. Für Marks war der Schlüssel, mit dem er Codes knacken konnte, das Heraushören von Wiederholungsfrequenzen: Hatte man diese, konnte man die Mutationen und Transpositionen herausarbeiten, die den Code ursprünglich generiert hatten. Marks Hörfähigkeit ging so weit, dass er auch die Sprache seiner Vorgesetzten als codiert wahrnahm und nach den Wiederholungsfrequenzen suchte, um zu verstehen, was sie wirklich sagten. Und führte noch weiter: Bei den Mitgliedern der FANY (First Aid Nursing Yeomanry, ausschließlich aus Frauen gebildete Einheit der Territorial Army, der britischen Reservearmee), die an den Funkgeräten saßen und die Nachrichten der Agenten mitschrieben, fiel ihm auf, dass das normalerweise sehr hohe Niveau ihrer Arbeit alle 28 Tage für drei bis vier Tage abrutschte – so leitete er von den archivierten Empfangsmitschriften ihren Menstruationszyklus ab. Seine Fähigkeiten führten sogar auf eine metaphysische Ebene: Er beschrieb die Synagoge seiner Eltern als Code-Raum, von dem aus man Kontakt zu Gott mithilfe von ›Passwörtern‹ aufnimmt.


Marks Wahrnehmung der Welt als codiert wird von Cerith Wyn Evans geteilt. Er beschrieb bei den Hearings, dass Tokio bei Nacht wie eine »synaptische Matrix aus verschiedenen Punkten, Piepsen und Strichen« gewirkt habe, die er »überwiegend« für »Kommunikationssysteme« gehalten habe, blinkende Lichter und Zeichen, die »den Eindruck eines Morsealphabets evozierten«. Architektur wird Kommunikation wird Code. Diese Tokio-Erfahrung inspirierte Wyn Evans, William Blakes Werke in Morsecode zu übersetzen und als Lichtimpulse von der Tate Britain über die Themse auf das Hauptquartier der MI5, des britischen Geheimdienstes (Nachfahre des SOE), zu senden: Die Worte eines toten Dichters ins Leben zurückgeholt, nur um im Code erneut begraben zu werden. Und man sollte sich nichts vormachen: Jeder Code ist ein Begräbnis. John Cussans erzählte eine weitere kleine Familiengeschichte: Houdini wurde Entfesselungskünstler, weil er überzeugt davon war, beim Tod seiner Mutter verrückt zu werden (und deswegen trainieren musste, sich aus Zwangsjacken zu befreien). Um das zu verhindern, vereinbarten er und seine Mutter einen Code, mit dessen Hilfe die Mutter mit ihm in Kontakt treten würde, falls sich herausstellen sollte, dass das Bewusstsein den Tod überlebt (was nicht der Fall war: Houdini wurde den Spiritisten zur Geißel, die behaupteten, mit seiner Mutter in Kontakt zu sein, aber den ›Mutter-Code‹ nicht beherrschten). Cussans realisierte eine Arbeit, die auf dieser Geschichte basierte: »Buried Alive«, lebendig begraben – passenderweise, denn innerhalb des Codes war Houdinis Mutter bereits tot und begraben, auch als sie noch lebte.


Jeder Code ist ein Begräbnis. Darauf zuzugehen (wie Orphée) bedeutet, auf den Tod zuzugehen, und darin zu operieren (wie Cegéste) bedeutet, bereits tot zu sein. Burroughs postuliert die Existenz eines ›Todes-Codes‹, mutmaßend, dass ein Team von Tontechnikern und Kameraleuten in Zusammenarbeit mit Biochemikern irgendwann in der Lage sein wird, diesen künstlich herzustellen. Für Marks existierte dieser Code 1942 bereits. Er erzählt, dass er sich, wenn er seinen Agenten, bevor sie nach Frankreich geschickt wurden, half, ihre Gedichte in seinem Büro auswendig zu lernen, vorstellte, sie seien tot – wiederum passenderweise, denn die Lebenserwartung eines Funkers in Frankreich lag bei sechs Wochen. Als deutsche Codeknacker Crashkurse in englischer Literatur absolvierten, um die britischen Transpositionssätze erkennen zu können, konterte Marks, indem er eigene Gedichte für die Agenten schrieb. Eins davon, auf morbide Weise selbstreflexiv, spricht von einem


…alphabet of death


Each consonant a breath


Expired before its time.


…Alphabet des Todes


Ein jeder Konsonant ein Atemzug


Erloschen vor seiner Zeit.


Jeder Code ist ein Begräbnis. Die ihm angemessene Architektur ist das Grab. Der Geheimbund in Hergés surrealem Meisterwerk Tim und Struppi: Die Zigarren des Pharaos, eine Organisation, die von Passwörtern und Geheimcodes und verschlüsselter Funkübertragung durchdrungen ist, operiert von einer Gruft aus. Sobald Tim in ihren Raum eindringt, sieht er seinen eigenen Sarkophag. Er wird schon bald darin liegen, während Morsenachrichten über sein Schicksal bestimmen. Später wird er nochmals begraben werden; noch später (zu Beginn von Der blaue Lotos, der zweiten Folge des zweiteiligen Abenteuers) wird auch er sein »Kurzwellengerät« auf Morsemeldungen einstellen, bevor er betäubt und nochmals gefesselt wird, wieder aufwacht und wieder mit seinem Kurzwellengerät vereint wird. Die Frequenz der Geschichte besteht aus Begräbnis und Codierung, Begräbnis und Code-Übertragung.


Jeder Code ist ein Begräbnis, und im Raum des Codes zu verweilen, bedeutet bereits tot zu sein. Aber dann ist vielleicht auch das Gegenteil wahr. Die Formel funktioniert auch rückwärts, à reculons. Für Houdini enthält der Code die Möglichkeit, dass seine Mutter zurückkehrt, so wie die Grabkammer für Christen, und erst recht für Ägypter, die Möglichkeit der Auferstehung in sich birgt. Durch eine Änderung im Rhythmus der Übertragung erkennt Marks, dass ein niederländischer Agent gefangen genommen wurde und unter Zwang sendet. Marks hält ihn für die Dauer des Kriegs am Leben, indem er weiter sendet und empfängt, ohne den Code zu ändern: Er weiß, dass der Agent, würde er den Code ändern, für die Nazis keinen Nutzen mehr hätte und getötet würde. Cocteaus Cégeste überlebt seinen eigenen Tod, jedenfalls soweit, dass er senden kann; Orphée kehrt aus der Unterwelt zurück und empfängt weiter. Tim überlebt alle Begräbnisse. Er muss: Die Logik der Geschichte verlangt es, jedenfalls solange sein Kurzwellengerät ihn erwartet.


Telekommunikation als Grab, was vielleicht eine doppelte Bewegung erlaubt, hinein und hinaus: Dieses Paradox wohnt, vermittelt durch eine andere Familiengeschichte, im Herzen eines Kommunikationstechnologie-Apparats, den wir jeden Tag benutzen und der uns womöglich am besten vertraut ist – das Telefon. Als Kinder konstruierten Alexander Graham Bell und sein Bruder Melville einen Sprechautomaten, bei dem Federn und Gummi als Lunge und Zunge fungierten. Der Apparat konnte ›Ma-ma‹ sagen, ein Wort, das ihre eigene Mutter, ›Ma Bell‹ (nach der die erste große Telefongesellschaft benannt ist) nicht hören konnte: Sie war taub. Um eine naturgetreuere Version ihrer Sprechmaschine zu realisieren, töteten die Brüder die Familienkatze und entnahmen ihr den Kehlkopf. Alex ging bald zu menschlichen Körperteilen über, er ›lieh‹ sich ein totes Ohr aus einem Leichenschauhaus. Einige Jahre später brachte er ein weiteres nicht in Gebrauch befindliches Ohr mit nach Hause, und mit diesem die taube Frau, die er heiraten würde, Mabel. Melville Bell heiratete eine Frau namens Caroline Ottoway (Ohrkanal klingt hier an), mit der er einen Sohn hatte – und verlor –, der nach seinem und Alex’ Bruder Ted genannt wurde.


Dann starb Melville selbst – aber bevor er starb, schloss er einen Pakt mit Alex: Wer auch immer von ihnen den anderen überlebte, würde ein Gerät bauen, mit dem man mit den Toten kommunizieren konnte. Daher das Telefon. Die Ohrprothese, die wir in unseren Taschen haben, ist eine Familiengruft, vollgestopft mit Abwesenheiten, Echos der wiederholten, halb-wiederholten und mutierten Namen von Geistern (Bell hatte zwei weitere Kinder, die im Kindesalter starben, und noch zwei, die er nach Ted und Melville nannte). Wie Avital Ronell in ihrem Buch Das Telefonbuch: Technik, Schizophrenie, elektrische Rede klar macht, ist der Grund für Alex’ Entdeckungen ein »Abgrund«, in dessen »a-signifikanten Brüchen« tote Geschwister »lebendig« werden, oder lebendige sterben – eine Situation, die sich jedes Mal erneut abspielt, wenn wir den Hörer abnehmen, genau wie Houdinis mère et fils unter der Oberfläche jedes TV-Entfesselungsauftritts abläuft.


Für Ronell ist das Telefon auch das Grab der Philosophie. Das Telefonbuch umkreist einen Moment im Jahr 1933, als Martin Heidegger von der Nazipartei angerufen wurde. Heidegger hat über diese Episode nur einmal öffentlich gesprochen, viele Jahre später, in einem Interview mit dem Spiegel. Sein Lehrer Edmund Husserl mochte das Telefon nicht, aber Heidegger ließ eines in seinem Büro installieren, sobald er Rektor der Universität Freiburg geworden war. Dann kam, wie er im Spiegel sagte, »nach einigen Tagen […] ein fernmündlicher Anruf«. Es ist das SA-Oberkommando, und sie wollen, dass er sich beteiligt. Er nimmt den Anruf an. Ronell liest diese verhängnisvolle Entscheidung durch eine Passage in Sein und Zeit, in der Heidegger vom »Rufcharakter des Gewissens« spricht: »Der Gewissensruf hat den Charakter des Anrufs«, hier taucht der An-Ruf also wieder auf. Was sie damit fast, aber nicht tatsächlich sagt: Dass Heideggers Annahme des SA-(An-)Rufs nicht Zustimmung bedeutet, sondern vielmehr Zurückweisung, ein Auflegen/Aussetzen einer Verbindung: zu seinem jüdischen Freund und Mentor Husserl, zum Gewissen an sich.


4


Ich habe mehrmals die Mantras »Jeder Code ist ein Begräbnis« und »Im Raum des Codes zu operieren oder zu verweilen bedeutet, bereits tot zu sein« wiederholt, aber jetzt möchte ich sie verändern, oder vielmehr, sie durch ein einziges Wort ersetzen: crypt, Krypta. Cerith Wyn Evans hat dieses Wort während der Hearings verwendet, in Bezug auf den längeren Begriff encryption, Verschlüsselung. Das war für ihn kein Wortspiel. Beide Worte haben die griechische Wurzel kryptós, verborgen, versteckt. Wyn Evans dachte an einen bestimmten Gebrauch des Wortes Krypta, wie er von den psychoanalytischen Autoren Nicolas Abraham und Maria Torok in Bezug auf eine Familiengruft benutzt wird, die der der Bells in nichts nachsteht: die eines Patienten von Freud, des »Wolfsmanns«.


Freuds Fallstudie von 1914 beschreibt die neurotische Erkrankung eines Erwachsenen, über die sich »Aufschlüsse […] nur ergeben konnten, wenn der Verlauf der Analyse für eine Zeit von der Gegenwart abführte, um uns zu dem Umweg durch die kindliche Urzeit zu nötigen«. Dieser Umweg lehrt Freud, dass sein Patient auf einem russischen Landgut in wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs. Seine Welt bestand aus seinen Eltern, seiner Schwester, einer Kinderfrau, einer englischen Gouvernante und einer großen Dienerschaft. Im Alter von drei oder vier Jahren begann er sich schlimm zu benehmen, geriet beim geringsten Anlass in Wut. Nachdem ihm seine Schwester das Bild eines aufrecht stehenden Wolfs gezeigt hatte, entwickelte er Angst vor Wölfen. Einmal fürchtete er sich auch plötzlich vor einem Schmetterling mit gelben Streifen, dem er zunächst nachgejagt war. Er begann, Käfer und Raupen zu verstümmeln. Außerdem veränderte er die Bedeutung von Wörtern, indem er sie mit ihrem Gegenteil verknüpfte. Zu dieser Zeit hatte er bereits »eine sehr gut kenntliche Erkrankung an Zwangsneurose durchgemacht«, wie Freud schreibt.


In seiner Rolle als Archäologe dieser Vorgeschichte gräbt Freud eine Verführungsszene durch die Schwester des Patienten aus, die mit seinem Penis gespielt und ihm dabei unanständige Geschichten von der Kinderfrau und dem Gärtner erzählt hatte. Eine fehlgeschlagene Verführung der Schwester im Jugendalter seinerseits wird folgen. Als sie Anfang zwanzig ist, vergiftet sie sich und stirbt, ihr Vater ebenso einige Jahre danach. Bezeichnend sind für Freud allerdings nicht die tatsächlichen Ereignisse, sondern eher die Art und Weise, wie diese im Bewusstsein seines Patienten gespeichert, wiederholt und verändert/mutiert werden. Alle Szenen des Wolfsmann-Dramas verbinden sich mit zwei zentralen ›Momenten‹, weniger Ereignisse als ›Orte‹ oder ›locae‹ der ›Verkettung‹.


Der erste ist ein Traum, den der Wolfsmann mit knapp vier Jahren hat, kurz vor Weihnachten (sein Geburtstag), ein Traum von sechs oder sieben weißen Wölfen, die auf einem Baum sitzen und ihn anstarren, während er schläft. Für Freud dient dieser Traum vermittels einer Reihe von ›Wandlungen‹, ›Transpositionen‹, ›Verzerrungen‹, ›Transformationen‹ und ›Ersetzungen‹ der Verschlüsselung einer Urszene, die Freud ebenfalls zu Tage fördert: der Wolfsmann, der seine Eltern beim Kopulieren beobachtet. Freud verortet diese Urszene im Sommer, als der Wolfsmann etwa eineinhalb Jahre alt war. Die Eltern kopulieren a tergo, der Vater hinter der Mutter, aufrecht wie der Wolf auf dem Bild der Schwester. Der Wolfstraum, in dem diese Urszene verborgen war, dient über verschiedene Assoziationsstränge, die weitere Transpositionen und Ersetzungen mit sich bringen, wiederum dem Verankern, Verketten und Artikulieren anderer Belange. Freud verfolgt die Fäden zurück bis zu Märchen, die der Wolfsmann gehört hat (in denen Wölfe ihre Schwänze verlieren) und einem Ereignis in seiner Kindheit (einer Epidemie, die Hunderte der Schafe dahingerafft hatte, die zum Gut gehörten), und nach vorne bis zu einem Lateinlehrer namens Wolf, der ihn einst züchtigte, weil er filius falsch übersetzte, und zwar mit dem französischen Wort fils statt dem russischen syn.


Eine weitere Brutstätte für Verkettungen ist die Erinnerung an den Schmetterling mit den gelben Streifen. In der Annahme, dass es sich hierbei um eine »Deckerinnerung« handelt (die »Wichtigeres vertrat, womit es irgendwie verknüpft war«), entdeckte Freud, dass für den Wolfsmann das Öffnen und Schließen der Schmetterlingsflügel das Bild von Mädchenbeinen und die V-Form von beidem die römische Ziffer fünf evozierte, die Stunde, in der er die Urszene sah und die Stunde, in der er regelmäßig in Depression fiel. Freud fand außerdem heraus, dass »Schmetterling« auf Russisch »Babuschka heißt, altes Mütterchen«. Bevor sich der Wolfsmann nicht an einen Lagerraum voller Birnen mit gelben Streifen erinnerte (auf Russisch heißt Birne Gruscha), erinnert er sich auch nicht an einen weiteren Verführungsversuch seinerseits – eines alten Kindermädchens, die Gruscha hieß und die er beim Schrubben des Bodens angetroffen hatte, wobei sie in derselben Position kniete wie seine Mutter in der Urszene. Als Erwachsener entwickelte der Wolfsmann eine zwanghafte Vorliebe, Frauen von hinten zu koitieren, und auch, Einläufe verabreicht zu bekommen. Der Durchbruch kommt, als er Freud einen Traum erzählt, in dem er eine gelbgestreifte Wespe quält. Irrtümlicherweise verstümmelt er das deutsche Wort, Wespe, zu Espe, womit er seine eigenen Initialen ausspricht, SP. Jetzt hat Freud den Schlüssel, kann alle Deckerinnerungen zusammensetzen und zeigen, wie eine Flut inzestuöser Wünsche (in Bezug auf seinen Vater, seine Mutter und seine Schwester) und Ängste (vor Kastration und Tod) zu diesem komplizierten Geflecht aus Transformationen und Wiederholungen verschmolzen sind – Transformationen und Wiederholungen, die der Wolfsmann wiederum durch sein zwanghaftes Verhalten rücküberträgt und wiederholt.


Die Neurose des Wolfsmanns ist manifest, aber verschlüsselt. Sowohl der Traum als auch die Deckerinnerung fungieren als Mechanismen der Verkettung, Transponierung, Überlagerung und Verschlüsselung. Freuds Aufgabe – dieselbe wie für Marks – ist es, die Wiederholungsfrequenzen herauszuhören, den Mustern der Variationen zu folgen und so den Code zu entschlüsseln. Dann, zweiundsechzig Jahre später, treten Abraham und Torok auf den Plan. Von Anfang an verwenden sie in ihrem Buch Kryptonymie: Das Verbarium des Wolfsmanns eine Rhetorik des »wiederholten Hörens«, beschreiben Tausende von Ohren, ihre eigenen eingeschlossen, hören Freud beim Zuhören seines Patienten zu. Ihre Aufgabe als Psychoanalytiker, so sagen sie, ist nicht Interpretation, sondern Übersetzung. Sie entdecken, dass Englisch neben Russisch die Sprache der Kindheit des Wolfsmanns ist, und das führt sie dazu, sich in eine polyglotte Ebene der Wörter einzuhören, die sie als ›Knistern‹ beschreiben. Hinter diesem Knistern der Wörter, sagen sie, sind Quellwörter vergraben, »Archeonyme«; Wörter, deren Ausgrenzung »ihnen eine authentische magische Kraft verleiht«. Aus dem Kreislauf der Sprache herausgenommen, wirken sie von ihrem Versteck aus immer noch aktiv fort; diese Quellwörter kommunizieren durch Synonyme und Alloseme (ihr Gegenteil), durch Transpositionen und Mutationen, die »sich in dialogischer Form [anordnen]», als lange metonymische Ketten. Abraham und Torok verfolgen diese Ketten, indem sie »sich entlang der Signifikate bewegen und nach semantischen Ersetzungen suchen«. So führt sie (zum Beispiel) six, die Zahl sechs, die zuerst erwähnte Anzahl der Wölfe, zu šest’ (sechs in Russisch), šestero und šest’erka (die Sechs, eine Gruppe von sechs Personen) und von dort, indem sie eine Interferenz des deutschen Schwester aufgreifen, zum englischen sister (russisch sestra, Diminutiv sestjorka) – eine Welt der ›Redewendungen‹, die »eine Erfahrung sexueller Lust markierte und auf die sogenannte ›Verführungs‹-Szene anspielte«. Es gibt viele weitere Beispiele: Abraham und Torok füllen ganze Tabellen damit. Solche kettenförmigen Synonyme bezeichnen sie als »Kryptonyme (Worte, die sich verstecken)« und fügen hinzu, dass »die Präsenz des Kryptonyms die Existenz einer Krypta« anzeigt.


Krypta: Das ist der Name, den Abraham und Torok dem Nicht-Ort im Zentrum ihres Denkens geben, dieser verborgenen Falte oder Enklave, aus der verschlüsselte Übertragungen kommen, die selbst aber immer außer Hörweite bleibt, gleichsam ›unpeilbar‹. Sie sagen, dass der konventionelle Begriff des Unbewussten nicht ausreicht: Wir brauchen ein Konzept, das das frakturierte Symbol, den Riss oder die Spalte im Ich, berücksichtigt. Wenn nicht nur das Selbst, sondern auch die Sprache, durch die das Selbst mit dem Selbst kommuniziert, gespalten ist (weil sich ein Teil davon außer Reichweite befindet), bildet sich eine Krypta, die »im Zentrum des Ich als eine besondere Form des Unbewußten arbeitet« und »von hinter einer Spaltungslinie aus« Sequenzen sendet, die entlang einer »intra-symbolischen Linie« die Drehungen und Windungen verlängern, aus denen sich die »Wände« der Krypta formen.


Ich bin nicht im Geringsten an der Frage interessiert, ob Abraham und Torok ›Recht‹ haben oder nicht. Mich interessiert das Modell, das sie vorschlagen: dieses architektonische, linguistische, psychologische und vor allen Dingen übertragbare Gebilde, das Derrida in seiner Einleitung zu ihrem Buch abwechselnd als Prothese, Zyste, Festung oder Bunker beschreibt, und, abstrakter, als »Insel des Widerstands gegen die Realität« (er benutzt das Wort résistance, dessen präzise historisch-politischen Assoziationen uns direkt in die Welt von Marks’ Agenten zurückführen – und zu Cégeste). Als Metapher ist die Krypta instabil, spannungsgeladen – und um sie für uns tatsächlich nutzbar zu machen, schlage ich vor, dass sie nicht nur als Schirm für alle Informationen im Rahmen dieses Berichts fungiert, sondern unserer Organisation auch ein Modell liefert, das Modell, für unser aktuelles Projekt. Für uns sind die konventionellen Begriffe Radiostation oder Sender nicht ausreichend. Wir brauchen ein Konzept, das den Brüchen Raum lässt, dem Verschweigen und, nicht zuletzt, der Unwahrscheinlichkeit.


Um dem Umriss und den Wänden unserer eigenen Krypta auf die Spur zu kommen, schlage ich vor, dass wir selbst eine Reihe von Umwegen in Kauf nehmen. Wir sollten uns zuerst in den Bericht des Wolfsmanns einschalten, der 1961 veröffentlicht wurde. Sergej Pankejev, SP, bestätigt, dass er eine privilegierte Kindheit hatte und dass ihn »Abgründe anzogen wie ein Magnet«. Seine Familie ist mit dreierlei eng verkettet: Literatur, Linguistik und Naturwissenschaften. Seine Mutter nennt ihre Schwager »Die Brüder Karamasow« (deren Vater sogar, wie in Dostojewskis Roman, einem von ihnen die Braut zu stehlen versucht). Sergejs Frau Teresa wird als »die deutsche Tatjana« bezeichnet, nach der Schwester in Puschkins Eugen Onegin. Sein Großvater mütterlicherseits will die Welt zum Esperanto bekehren. Seine zweite – französische – Gouvernante spricht eine »verstümmelte Mischung aus Französisch, Polnisch und Russisch«. Während SP Insekten verstümmelt, studiert seine Schwester deren Mutationen. Sie ist sprachbegabt und schreibt derart geistreiche Gedichte, dass ihr Vater sie mit Lermontov vergleicht. Als versierte Naturalistin weiß sie, genau wie Shakespeares Naturalist Pater Lorenzo, alles über Gift und endet so tot wie Julia. Ihr Vater scheint den stummen Hinweis verstanden zu haben: Sein Gift der Wahl ist Veronal. Er wird in derselben Gruft begraben wie sie. Aber auch sie scheint den Hinweis auf ein Stück verstanden zu haben, in dem ein geheimer Brief zirkuliert, während die Heldin in einer Krypta liegt: Lebensmüde nimmt sie Sergej das Versprechen ab, ihr genau eine Woche, nachdem sie sich zum letzten Mal von ihm verabschiedet hat, zu schreiben. Sergej trauert nicht um sie – wird aber ein Jahr danach an einem Ort in der Nähe des Flusses Terek von Gefühlen überwältigt: Dort wurde Lermontov begraben, nachdem er im Duell mit einem Mann namens Martynow gestorben war – ein Duell, das uns Sergej in minutiösen, zwanghaften Details schildert.


Hier zeigt sich bereits das Hauptthema der Krypta: die Unfähigkeit, zu trauern. Für Freud führt die Unfähigkeit, zu trauern, zu Melancholie, einem Komplex, der sich »wie eine offene Wunde verhält« und die gesamte Psyche infiziert. Die Krypta von Abraham und Torok wird immer aus dieser Unfähigkeit heraus geboren, weswegen sie wie eine giftige Zyste ist. Was ist Houdinis Muttercode und die begleitende Zwangsjackenroutine anderes als ein Hinweis auf Melancholie, eine Unfähigkeit, um seine Mutter zu trauern, die so pathologisch ist, dass sie sogar schon vor ihrem Tod einsetzt? Was ist Bells Erfindung anderes als eine offene Wunde, die Krypta, in der er es nicht schafft, seine Brüder zu betrauern? Wyn Evans Morse-Lichtimpulse wiederholen bewusst ein pathologisches, verdrängtes Trauern – um Blake oder um den Morsecode oder das SOE oder für was auch immer sie selbst ein Ersatz sind, Lichtimpulse, so hell wie das Fest der Sonnenstrahlen, die aus den schwarzen Trauerbändern der Cocteau’schen Witwen bersten. Wann immer einer seiner Agenten stirbt, lenkt Marks seine Trauer in ein Gedicht, das er dem Nächsten schickt, damit der es transponiert, sendet und wiederum damit stirbt (um durch seinen Tod das nächste Gedicht zu transponieren). Es ist ein Wiederholungskreislauf. Die Agenten tragen eine kleine Cyanid-Kapsel bei sich, um sie im Falle der Gefangennahme zu knacken, bevor sie selber verstümmelt, gequält werden, damit sie, wie die Insekten von SP, ihren Code preisgeben.


Die Unfähigkeit, zu trauern, das Hauptmerkmal der Krypta, verbindet im Übertragungsbereich Gift mit Pathologie und führt so zumindest halbwegs zur Erklärung einer Reihe von Pings, die in erstaunlich dichter Folge auf dem Sonar der Hearings auftauchten. John Cussans und Jane Lewty sprachen beide über die Anfang des 20. Jahrhunderts kursierenden Ängste, das Radio könne psychische Störungen verursachen; Lewty beschrieb dessen Einfluss auf Literatur und Gesellschaft als »giftig« und »infektiös«. Hollings betonte, dass de Sade und Blake beide ins Irrenhaus kamen, genauso wie der Dichter und Radiopropagandist Ezra Pound, der, wie Lewty uns mitteilte, bei der Einkerkerung zu spüren vermeinte, die Oberseite seines Kopfes werde abgeschnitten und ätzende Flüssigkeit liefe aus; seine Gedichte, wie die Cégestes, wurden zu einem Mischmasch aus Fragmenten, aus Bruchstücken konfuzianischer Oden, Time Magazine-Artikeln und Radio-Jingles, die sich in die Schreibmaschine hinweinwanden, während er tippte. Schließlich blenden die Cantos aus und werden zu einem, wie Lewty es nannte, »weißen Rauschen«.


Marks beschreibt das SOE-Hauptquartier, in dem es von Nachrichten nur so schwirrte und die Giftschränke überquollen, als »Irrenhaus«. Er bezieht sich direkt auf Freud, wenn er über die »Psychopathologie des SOE-Lebens« spricht. Ronell erwähnt im Telefonbuch, dass Bells Erfindung ihm einen nicht abreißenden Strom von Schizophrenen vor seiner Tür einbrachte, die ihm ihre eigenen ›Erfindungen‹ für das Hören von Stimmen, die in ihrem Schädel wohnen, präsentieren wollten. Sie erwähnt außerdem, dass nicht nur Bell, sondern auch sein Assistent Watson seine Katzen vergiftete, und, das Radio der 1930er Jahre mit einem »nationalen Ohr« vergleichend, zappt sie über die Wählscheibe zu Claudius’ Mord am Vater der dänischen Nation, Hamlet senior, vermittels einer »Oto-Injektion«, wie sie es nennt – ein Akt, hätte sie hinzufügen können, der das berühmteste literarische Beispiel für die Unfähigkeit, zu trauern, hervorbringt, ganz zu schweigen von einem Staat, der nur so erfüllt ist vom Knistern geheimer Nachrichten, kryptischer Auftritte, öffentlicher Falschmeldungen – und, natürlich, von Gift. Houdini ist mit seiner Angst vor dem Wahnsinn nicht allein. Auch Lear ruft aus: »O schützt vor Wahnsinn mich, vor Wahnsinn, Götter!« »Ich werde wahnsinnig!«, jammert Tim, als der Schuft ihm eine Giftinjektion verabreichen will, die zu Wahnsinn führt. Tim wird sogar in eine Zwangsjacke gesteckt, nachdem ein Fakir ihn durch einen Trick (einen vertauschten Brief, einer von Hamlets Lieblingstricks) ins Irrenhaus bringt. Wie Houdini gelingt Tim die Flucht, und genau wie dieser muss er, nachdem er erneut gefangen wird, alles noch einmal machen.


Die Krypta ist der Ort des gescheiterten Trauerns, der Pathologie und der Infizierung mit Gift, aber vor allen Dingen ist sie der Ort einer verschlüsselten, kryptischen Urszene. Für Abraham und Torok bedeutet das psychoanalytische Zuhören, genau hinzusehen und die Szene zu enthüllen. Das ist es auch, was Freuds Interpretation des Wolfstraums für Sergej Pankejev bedeutet – aber schon bevor Freud auftaucht, enthüllt SP selber etwas. In einem frühen Traum sieht er sich, wie er seine Schwester entkleidet, »ihr die Hüllen … oder Schleier herunterreißt«. Der Anblick von Bäumen auf seinem Anwesen, die mit von Raupen gesponnenen dünnen weißen Schleiern umhüllt sind, beeindruckt ihn stark. Worunter er am meisten leidet, so teilt er Freud mit, ist, dass »ihm die Welt durch einen Schleier verhüllt sei«. Kurz vor dem Ende der Behandlung findet Freud heraus, dass SP eines der äußerst seltenen Kinder war, die mit einer »Glückshaube« zur Welt kommen – der seidigen Haut der Fruchtblase über Kopf und Gesicht. Er wird diese Haube für immer mit sich herumtragen, sagt Freud; sein ganzes Leben wird eine langwierige Enthüllung sein.


Einer Assoziation folgend, möchte ich die Vermutung wagen, dass es das war, woran Marks dachte, als er, von einem Vorgesetzten nach seinen Interessen gefragt, antwortet: »Intercourse and incunabula« – Verkehr und Inkunabeln. Incunabula, informiert das Oxford English Dictionary, kommt von »Windeln; Wiege« und bedeutet im übertragenen Sinn auch »Kindheit, Beginn, Ursprung«. (Es bedeutet ebenfalls »gedruckte Schriften aus der Frühzeit des Buchdrucks, Wiegendruck«. Marks Eltern waren Antiquare, die einen bekannten Laden in der Charing Cross Road betrieben, wo Leo die Tage Freud lesend verbrachte.) Absichtlich oder nicht, indem er Verkehr und Inkunabeln nennt, lenkt Marks die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass die früheste, am besten verhüllte Erinnerung, die Urerinnerung des Wolfsmanns, die an seine vögelnden Eltern ist. Abraham und Torok postulieren sogar eine noch frühere Szene, eine Schwester-Vater-Inzestszene, deren Echo er vernimmt, ohne sie jedoch ganz verstehen zu können. Für sie ist die Krypta des Wolfsmanns wie eine Pornokabine, die ihm die Vergangenheit als Peepshow offenbart, übereinander gelagerte Schichten schmutziger Bilder. Es ist ein Striptease, und wie bei allen guten Striptease­nummern geht es um das Doppelspiel von Zeigen und Verbergen. In der Definition von Abraham und Torok, die die geheimnistuerischen, verschlüsselten Codes der Kabine als »Hieroglyphen« bezeichnen, klingt Burroughs Beschreibung einer Sprache an, die vermeintlich totschweigt.


Freud, auf der Suche nach Dingen, mit denen er SP’s psychisches Wesen vergleichen kann, beruft sich ebenfalls auf die altägyptische Kultur, »die dadurch für uns so unvorstellbar wird, daß sie die Entwicklungsstufen neben den Endprodukten konserviert, die ältesten Götter und Gottesbedeutungen wie die jüngsten fortsetzt, in eine Fläche ausbreitet, was in anderen Entwicklungen zu einem Tiefengebilde wird«. An anderer Stelle, beim Nachdenken über den Auszug der Israeliten aus Ägypten in ›Moses und Monotheismus‹, behauptet Freud, dass »im Leben der Menschenart Ähnliches vorgefallen ist wie in dem der Individuen«. Jetzt lauscht er auf die Wiederholungsfrequenzen der Geschichte, schaltet sich ein in unser aller ›archaisches Erbe‹. Bataille nimmt Freud auf die Schippe, wenn er in den Höhlenmalereien von Lascaux die Urszene der Kunst sieht, ihr ›Larven‹-Stadium. Derrida nimmt Freud sowohl explizit als auch verschlüsselt auf die Schippe, wenn er auf einer Postkarte die verhüllte Urszene der Philosophie sieht. Gezeigt sind Sokrates und Platon – S und P. Sokrates war natürlich Platons Lehrer, aber Derrida lässt die Szene rückwärts ablaufen, à reculons, um zu enthüllen, was jeder schon immer wusste, was aber halb vertuscht war, ein Geheimnis der Übertragung: Platon, »der ihn [Socrate] hat schreiben machen, was er [Platon] wollte, in dem er so tat als empfange er es von ihm«. Derrida hat Recht: Sokrates hat kein eigenes Werk hinterlassen. Er ›spricht‹ nur, wenn Platon ihm ›zuhört‹. So­krates hat zwei Werkzeuge: eines, das schreibt und eines, das löscht. Platon hat ebenfalls ein Instrument, und zwar ein großes: Derrida liest, verborgen in den Falten seiner Seidenrobe, eine Erektion heraus, die Sokrates von hinten stößt. Inkunabeln und Verkehr, eine weitere histoire de cul, gegeben von zwei »Transvestiten in Roben«. Wir sollten uns, sagt Derrida, Platons Œuvre als Bordell vorstellen und die gesamte Philosophie als Reihe von Kryptogrammen, die dort hindurch und von dort aus gesendet werden.


Für Marks ist das SOE wie ein Bordell. Er beschreibt, wie die Offiziere und FANYs nachts in den Codierräumen bumsen. Nicht nur das Gebäude, sondern der Codiervorgang selbst ist von Erotik durchtränkt. »Befreit eure Sprache, variiert die Transpositionsschlüssel, fallt nicht in vorgegebene Muster. Codiert, als würdet ihr Liebe machen«, instruiert Marks norwegische Agenten. Er fordert die FANYs auf, ein Transpositionsgedicht zu verfassen, und bekommt eines: über den Schwanzumfang Charles de Gaulles (Charles de Gaulle’s prick being twelve inches thick). Als er vorschlägt, den Gedichtcode durch auf Seide geschriebene Transpositionstabellen zu ersetzen, bitten die Briten, bei denen Seide knapp ist, die Amerikaner um Hilfe. Die Amerikaner versprechen, genug zu beschaffen, selbst wenn »Mae West dafür ihre Titten entblößen« müsste. Marks wartet darauf, dass das geschieht, und derweil wird ihm klar, dass obszöne Limericks leicht zu merken sind. Er schreibt einen über einen Jungen, der Blasen vom Bumsen seiner Schwestern kriegt (a boy getting blisters from screwing his sisters) und schickt einen Agenten damit nach Frankreich, der es als Reihe von Punkten und Strichen nach London zurückmorst.


Die Krypta, der Raum, von dem aus die Übertragung erfolgt, macht aus Wissen Pornographie und vice versa. Es ist ein Ort der Lust – aber verborgener Lust, noch im Moment der Enthüllung. Die heimliche Szene, die darin verborgen ist, muss gezeigt werden und darf nicht gezeigt werden. Wer oder was bestimmt darüber? Das Gesetz tut es. Um zu modernen, erwachsenen Menschen zu werden, sagt uns Freud, akzeptieren wir Verbote: Verbote im Namen Gottes, Verbote bestimmter Bilder, Verbote bestimmter Instinkte – es gibt zahlreiche Verbote, aber die beiden wichtigsten betreffen Inzest und Tod. Mit der Verfügung der Exogamie und der Sakralisierung des Todes, seiner Tabuisierung, beginnt die Entwicklung moderner sozialer Strukturen, und damit von Moral und Recht. »Wo ein Verbot vorliegt, muß ein Begehren dahinter sein«, schreibt Freud in Totem und Tabu und fügt hinzu, dass Dinge, die unter das ›Embargo der Unmöglichkeit‹ gestellt werden, eine »eigentümliche Zauberkraft« entfalten können, »welche sich durch Berührung mitteilt«, vergleichbar »mit elektrisch geladenen Gegenständen«. Eine solche ›Ladung‹ – wie bei SP’s gelbgestreiftem Schmetterling – ist gleichermaßen verlockend und erschreckend; man muss sie genießen und gleichzeitig aufgeben, enthüllen und wieder verschlüsseln.


Das ist das Muster, das die Krypta vorgibt und das in den Punkten und Strichen, die sie aussendet, pulsiert. Das Verlangen nach der Wiederkehr der Katastrophe ruft ein Bedürfnis nach Wiederholung hervor. Tim, in der ägyptischen Gruft von giftigen Dämpfen narkotisiert, sieht eine Urszene und verschlüsselt sie wieder, um durch eine hermaphroditische Verdrehung zwei weitere Transvestiten in Roben hervorzubringen: Schulz und Schultz, Detektive, die opiumgefüllte Zigarren rauchen. Lust und das Gesetz. Wessen Peepshow sehen wir in diesen Szenen? Man muss doch wohl annehmen, dass Hergé, dessen Vater und Onkel Zwillinge waren (und uneheliche dazu, Thema eines totgeschwiegenen Familienskandals), dass Hergé, dessen eigener Name eine Verschlüsselung ist (George Remis Initialen à reculons abgespielt), ein Bekenntnis ablegt und dieses Bekenntnis zugleich in der Pyramide begräbt, es zum Leben erweckt und wieder tötet, Krypta und Krippe, allumschoßende Gruft. Später, wieder im Fummel, ziehen die Schultzes Tim aus einer anderen Gruft, um ihn zu verhaften. Er muss es gar nicht erst versuchen: Ist man einmal auf diese Muster gestoßen, gehen sie in Fleisch und Blut über, wiederholen sich endlos selbst. SP’s ganzes Leben wird davon geleitet: Sie diktieren ihm, seine Urszene zu wiederholen, ohne zu wissen warum; sie von der juristischen Fakultät in die naturwissenschaftliche zu übertragen, zurück in die juristische und weiter ins Irrenhaus, den Schlosspark Nymphenburg für sein erstes Treffen mit seiner zukünftigen Frau zu wählen (die ihn versetzt), das Palais de Justice für das zweite und Dachau – »damals ein beliebtes Ausflugsziel in der Nähe von München« – für das dritte (bei dem er einen Treffer landet). Das Vergnügen wird ihm an einem Ort gewährt, der eine Gruft neuerer Geschichte werden wird. Das weiß er noch nicht und muss es auch nicht wissen: Wie Hergé, RG, hat er die Fähigkeit eines Wünschelrutengängers, Abgründe aufzuspüren – sich, wie Burroughs sagen würde, in die Voraufzeichnungen einzuschalten.


Als ich hineinhörte in diese Geschichte des Wolfsmanns und ihre Umgebung fing ich auf derselben Frequenz ein paar Inter­ferenzen aus einem Werk von Vladimir Nabokov auf. Schon ganz am Anfang von Ada, seinem Roman von 1969, verurteilt er Freud, aber die Beharrlichkeit, mit der das Buch dann in Freud’schen Mustern pulsiert, machte mich stutzig: Vielleicht ist diese Verurteilung ein en clair-Dummy, eine Klartextattrappe. Der vollständige Titel des Buchs lautet Ada oder Das Verlangen. Aus den Annalen einer Familie. Darin finden wir einen reichen russischen Jungen auf einem Landgut seiner Familie, umgeben von Gouvernante, Gärtner, Dienern und, wie sich herausstellt, einer Schwester. Van und Ada Veen, die zunächst als Cousin und Cousine gelten, leben in einer multilinguistischen Zone, deren Bewohner eine verstümmelte Mischung aus Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch sprechen. Sie verbringen ihre Zeit damit, Gedichte zu übersetzen und naturwissenschaftliche Studien zu betreiben. Ada hat ein eigenes Lavarium voll gefleckter und gestreifter Raupen – viele von ihnen giftig – und Schmetterlingen – wie dem Nymphalis Carmen, einer »Sphinx Odetta«, die sich »in eine elephantoide Mumie verwandelt mit einem ulkig vermummten Rumpf guermantoider Art« und »violette Schatten von Monsieur Proust« ausstrahlt. Auf dem Landgut werden Glühwürmchen beobachtet, die einen »Leuchtkode« aussenden und »in photischer Erwiderung pulsieren«– und der Roman pulsiert auf eine Weise, die Nabokovs Schüler Thomas Pynchon in seinem eigenen Roman Die Versteigerung von No. 49 beim Vergleich einer Landschaft mit dem Schaltplan eines Radios als »hieroglyphisch verschlüsselte […] feste Entschlossenheit zur Kommunikation« bezeichnet.


Ada ist ein Roman der Inkunabeln und des Verkehrs. Die Kinder finden oben auf dem staubigen Dachboden pornographische Bilder von Adas als Archäologe gekleidetem vermeintlichem Vater. Sie entdecken auch, verschlüsselt im Blumentagebuch von Vans Mutter, ein Familiengeheimnis: dass sie nicht Cousin und Cousine sind, sondern Halbbruder und Halbschwester, oder vielleicht sogar Vollgeschwister. Die Mutter hat sich kurz nach diesem Eintrag vergiftet, konnte einer Krankheit nicht standhalten, zu deren Symptomen gehörte, dass sie mutierte Fetzen alter Gedichte und Gespräche hörte (die sich als polyglotte Stimmenkakophonie abspielten) und an Antiterra glaubte, ein mythisches Land, das das wirkliche Russland, in dem Nabokov aufwuchs, widerspiegelt (und das er in Ada nach Nordamerika verlegt hat).


Ada ist aber auch ein Roman über Verbote. Elektrische Telefone sind verboten; Elektrizität ist verboten; das Wort ›Elektrizität‹ ist verboten, »sogar im Lithuanischen«. Warum? Weil sie das Medium der »Ströme und Stromkreise« ist, der Relais, des Pulsierens, des Strömens – das Medium technologischer Kommunikation. Wenn, wie Freud sagen würde, jedes Verbot ein Begehren verschleiert, welches Begehren ist es dann, das in Adas Gruft der Verbote eingemauert (oder daran angeschlossen) ist? Die Kinder plaudern es aus – an einer Stelle, wo sich einmal ein Telefon befand: Sie spielen mit Scrabble-Buchstaben, verwandeln »insect« in »nicest«, dann in »incest«. Bald darauf werden Van und Ada ein Liebespaar – und Van erfindet, als er das Landgut verlassen und ins Internat muss, einen Code, den Ada auswendig lernen und dann aufessen soll, »wie ein guter kleiner Spion«, um ihre Liebesaffäre fortsetzen, aber dennoch geheim halten zu können. Dieser Code wird bald durch einen Gedicht-Code ersetzt, dessen Transpositionsschlüssel in Marvells The Garden und Rimbauds Mémoire liegen. Und damit ist ihr verschlüsselter Kreislauf eingerichtet.


Die inzestuöse Krypta entpuppt sich auch als tödliche. Van bringt einer anderen kleinen Spionin Gedichte bei, der zweiten Halbschwester, Lucette, die wie einer von Marks’ Agenten eine Überdosis Pillen nimmt und stirbt. Sie hinterlässt eine Selbstmordnotiz, eine Nachricht von den Toten. Ada kalauert in einem ihrer geheimen Briefe an Van, dass sie ihn ebenfalls »iz ada (aus dem Hades)» kontaktiert. Van selbst könnte von den Toten aus senden: Wenige Augenblicke, bevor er ein Duell ausficht, »in der Art jenes Zweikampfs, wie er von den meisten russischen Romanschriftstellern und von praktisch allen russischen Romanschriftstellern adliger Abkunft beschrieben wird«, sieht er einen weißen Schmetterling und weiß »mit äußerster Gewißheit«, dass »er nur noch wenige Minuten zu leben hatte«. Es wäre schön, wenn sein Gegner Martynow hieße, aber sein Name ist Tapper, eine mutierte Wiederholung einer anderen Figur des Romans, Mrs. Tapirov. Die Duell-Passage enthält auch jede Menge Permutationen von Dora (wie »dor«, »adoriert«, »Dorophon«, »Dorofey«), der Name einer ›stummen‹ Hysterikerin aus einer anderen Freud’schen Geschichte. Eine Art Code wird hier gemorst, wenn nicht sogar geknackt. Wenn wir den Rest des Romans wörtlich nehmen, so wurde Van angeschossen, überlebt aber, wird, wie SP, von einer Tatjana wieder gesund gepflegt und altert neben Ada bis ins, wie er es nennt, »Hörrohr-Alter« ihrer Sen-Sen-Senilität.


In einer frühen Szene des Romans zeichnet Ada Blumen und Insekten ab. Sie versucht dabei »eine Spezies mit einer anderen [zu kombinieren] und führte dabei seltsame kleine Veränderungen und Verdrehungen ein«. Während sie abzeichnet und verändert (oder verstümmelt), konzentriert sie sich so stark, dass sich ihre Zungenspitze im Mundwinkel kringelt und sie selber die Blume nachzuahmen scheint, die den Falter nachahmt, der den Skarabäus nachahmt. Van, der sie beobachtet, wird davon so erregt, dass er das Zimmer verlassen und masturbieren muss. Dann kommt er zurück, weil er mehr haben möchte. Was ihn anmacht, ihn verführt, ist der Vorgang des Sich-Verfangens, der Transformation, der Verschlüsselung – nicht irgendetwas, das dahinter, hinter der Szene, steckt. Die Szene zeigt in schönster Deutlichkeit die Logik des Romans und der Krypta an sich: Der Vorgang des Verschlüsselns erzeugt Begehren und Begehren erzeugt Verschlüsselung. Nabokov tritt, wie Hergé, sogar selbst auf. Als Van erstmals das Landgut verlässt, lenkt Ada seine Aufmerksamkeit auf »ein abscheuliches Insekt, das sich an einem Espenstamm gesetzt hatte«, und er benennt dieses Insekt als den Schmetterling »Nymphalis danaus Nab.«, entdeckt von einem »Professor Nabonidus vom Babylon College, Nebraska«. Unschwer zu erkennen, wessen mutierter Name hier gemorst wird. Aber erklärt Nabokov, hier und an anderen Stellen des Romans, ein inzestuöses Begehren seiner eigenen Schwester? Natürlich nicht: Inzest zeigt den Ort an, wo sich Gesetz und Lust treffen, sich selbst verschlüsseln und, sind sie einmal verschlüsselt, übertragen.


Bisweilen hörte ich durch Ada hindurch einen anderen Sender. Er kam auf dem Rücken des ägyptischen Zeugs: die Sphinxen und Skarabäen und Mumien, das Nil-Telegramm, das Van halb zitiert, als er und Ada sich zum ersten Mal lieben. Was ich da so halb hörte, waren Berichte von der Entdeckung der Grabstätte des Tutenchamun 1922. Der Geldgeber der Expedition, Lord Carnarvon (den Hergé auch in seiner Grabstätte platziert, wobei dessen Name zu »Carnarval« mutiert), kam aus einer Gutsbesitzerfamilie; sein Vater war ein so versierter Dichter, dass er als Kind prahlen konnte: »Ich mache vier verschiedene Arten von Versen: elegische, sapphische, alkäische und jambische, und die sapphischen mag ich am liebsten.« Der Ägyptologe, Howard Carter, verbrachte seine Kindheit damit, Insekten zu zeichnen. Als er den »Spinnweben«-Schleier zur Seite schiebt und in das Grab späht, sieht er (wie er später notiert) »intarsierte Särge … haufenweise Kästen«. Ada und Van, die in die Dachkammer ihrer Ahnen spähen, finden »Truhen und Kartons und zwei braune Couches, eine über der anderen wie kopulierende Käfer« und einen Zeitungsausschnitt, in dem die Geburt von »Adelaida« gemeldet wird, außerdem auf der »Humorseite« einen Cartoon mit zwei »Geschwistern, die ein schmales Bettchen miteinander teilen«, sowie, natürlich, verschlüsselte Hinweise auf ihre eigene Verwandtschaft, die sie vernichten. Carter, der hineinspäht, sprachlos, auf etwas, das er nur als »wundervolle Dinge« beschreiben kann, Besitztümer eines Pharaos, der seine Schwester heiraten sollte, aber vorher starb, fühlt eine Mischung aus »Ehrfurcht und Beschämung«, deckt alles wieder zu und ruft Carnarvon mit einem verschlüsselten Telegramm herbei.


Vielleicht, nur vielleicht, hörte ich in Ada auch Morsezeichen von Carnarvons Tod. Sie schwingen mit im Summen der Moskitos des Romans, von denen ein erster auf Adas Schienbein landet, als sie die Scrabble-Mutationen gerade beendet hat. Es werden noch mehrere folgen, sie verschiedentlich stechen. Sie erinnerten mich daran – vermittels des »abscheulichen Insekts« auf dem Stamm (trunk), das Van gezeigt bekam –, dass der »Fluch des Tutenchamun« für Carnarvon angeblich tatsächlich in Form eines Moskitos kam, der ihn stach, als er seine Koffer (trunks) packte, um nach Europa zurückzukehren. Der Stich mutierte zu einer Zyste und vergiftete ihn. Der Scient, der die nicesten Dinge gesehen hatte, die Szene eines aufgehaltenen Incests, wurde von einem Insect gestochen, einem abscheulichen. In seinem letzten Delirium erhielt er noch eine Art verschlüsseltes Telegramm und sagte zu seiner Freundin, die ihn pflegte: »Ich habe den Ruf vernommen. Ich bereite mich vor.« In der Nacht, in der er starb, fiel in Kairo der Strom aus und die Lichter blinkten, gingen an und aus, wie die Morsecode-Nachrichten von Wyn Evans oder die Lampen in Cégestes Zimmer.


Die Kryptonomie des Wolfsmanns, berichten uns Abraham und Torok, durchläuft ein Spek­trum von Permutationen »wie ein Lehrbuch der Dichtkunst«. Aber zwischen den knisternden Worten spricht selten jemand alleine. Für sie ist teret’ das wirklich magische Wort, russisch für reiben, kratzen, schrubben, verletzen. Dies schlängelt sich durch einen geträumten Wolkenkratzer zu Volk (russisch für Wolf) und weiter zur Gruša, die den Boden schrubbt, zum Fluß Terek, Theresia (teret’sja auf Russisch), zu ›der Wespe die Flügel ausreißen‹ (terebit’) und einer Menge anderer Szenen. Teret’ verbindet nicht nur sexuelle Lust, Gewalt, Angst und Tod zu einem kryptonomischen Netzwerk; es steht auch für den Prozess von Kennzeichnen und Auslöschen, durch den die Krypta selbst erzeugt und aufrechterhalten wird. Dieses stumme Wort ist so aufgeladen und so verführerisch, schlussfolgern Abraham und Torok, dass dieses Wort, und nur dieses, zum Objekt der Liebe des Wolfsmanns wird. Um es zu bewahren, begräbt er es in der Krypta »wie eine Larve in ihrem Kokon« und trägt es sein ganzes Leben mit sich herum, zeigt und verbirgt es, sagt es, ohne es zu sagen, »wiederholt allen und jedem unermüdlich, vor allem seinem Analytiker: ›Hier ist nichts, halten Sie es fest.‹«.


Die INS-Sendestation muss es genauso machen. Indem sie Ketten aus Synonymen und Allosemen verfolgt und wiederholt, verkörpert sie die Rollen von Analytiker und Neurotiker in einem. Schlüpft Ersterer nicht immer in Letzteren, genau wie sich so viele Ägyptologen dem Carnaval anschließen? Indem sie das Lied, das in der Gruft widerhallt, transformiert und erneut überträgt, wird die Sendestation wie der elastische Radio-Mund von Stephen Dedalus sein. Als Ort der Verführung und der Infektion wird sie in technologische Netzwerke einsickern, darin pulsieren, wird die zu elegischen, sapphischen und alkäischen Versen mutierten Namen Gottes herumwirbeln. »Dichtung«, um mit Auden zu sprechen, »kann nichts verursachen« – ein aktives Konstrukt, in dem »Nichts« ein Ereignis bezeichnet, vielleicht sogar ein bedeutsames. Indem wir in den Abgrund schauen, seinen Quellcode lesen und dieses Nichts nach draußen übertragen, finden wir vielleicht heraus, dass es in unserer Kultur ebenfalls ein geheimes, stummes Wort gibt. Für Abraham und Toroks Wolfsmann war es das Wort teret’. Ich nehme an, dass unseres sich irgendwo unter, zwischen oder jenseits der Permutationen der Buchstaben I N S E C T befinden wird.


5


Wie funktioniert die Sendestation? Wie eine Résistance-Zelle oder eine Einsatzzentrale der Alliierten, ein Verkehrs- oder Wetterzentrum, eine NASA-Bodenkontrolleinheit oder ein Bond’sches Verbrecherhauptquartier. Wir werden wieder mit Laura Hopkins zusammenarbeiten und von all diesen Szenarien Besitz ergreifen, uns darin verfangen, um einen Übertragungsraum zu entwerfen, auf dessen Wände Mitarbeiter Wörter per copy & paste beamen, Wörter aus der sogenannten ›Mediensphäre‹: Radio- und Fernseh­sendungen, Zeitungsartikel, deutsche Gedichte oder Shakespeare’sche Sonette, Listen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten oder Giften oder ägyptischen Pharaonen. An einem zentralen Arbeitstisch werden weitere Mitarbeiter die Informationen zu neuen Sequenzen zusammenstellen, die durch einen Drucker gespult, in einer Tonkabine laut gesprochen und von dort übers Radio übertragen werden. Die Sequenzen werden geloopt und permutiert, wie die von Cégeste oder wie der Seewetterbericht: eher mittelprächtig, gut, bisweilen stürmisch, gut, dreimal, ich wiederhole.


Das wird keine Übung in Zufallsoperationen, kein dadaistisches cutting up. Es wird eine Vermessung sein. Eine große Wandkarte wird zeigen, welchen Spaltungslinien wir folgen. Eine der vorgeschlagenen Linien führt von Patty Hearst zurück zu Antigone, via Lucia Joyce – das ist die »Linie der eingesperrten oder verschlüsselten Frauen«. Eine andere ist die »Flug-Linie«, die übereinander gehäufte Flugplan-Anzeigen und die Bezeichnung von Flugzeugteilen mit Ovids Beschreibung vom Sturz des Ikarus verbindet (und, darüber hinaus, mit dem Labyrinth von Ikarus’ Vater, dem Ort verborgener (begrabener) Lust, an dem die allererste Vermessung stattfand). Eine weitere Linie ist die von Kapital und Spekulation, auf der sich aktuelle Aktienkurse mit den Namen von Unternehmen des Südseebörsenschwindels im 18. Jahrhundert und den Löhnen indischer IT-Monteure vermischen. Eine eher prosaische Wandkarte wird zeigen, welche der kooperierenden Sender die Übertragung jeweils gerade senden. Mitarbeiter werden sich um diese Wandkarten genauso kümmern wie um eine dreidimensionale Karte, die die Stärke unseres UKW-Signals in London darstellt. Das wird von Agenten vor Ort kontrolliert – Agenten, die unser Signal verbreiten, »ausstreuen«, mit Burroughs Worten: »die Balkone rauf und runter, durch Fenster rein und raus, […] aufgenommen und weitergetragen von Hundegebell, brabbelnden Pennern, Musik, Verkehr, der sich durch enge Straßenschluchten wälzt und hinaus über Parks und Sportplätze. Illusion ist eine revolutionäre Waffe.«


Ist unser Projekt revolutionär? Oder ist es reaktionär, ultra-reaktionär sogar? Burroughs betont, dass »die Techniken«, die er in The Electronic Revolution (Die elektronische Revolution) beschreibt, »von der CIA und von Agenten in anderen Ländern angewandt« werden, Techniken der allmächtigen »Behörden und Syndikate«, die »The Reality Studio« betreiben. »Jedesmal wenn es um den courrier« (Boten) geht, schreibt Derrida in Die Postkarte, »ist Polizei da … und eine Basilika … ein Gebäude oder eine Erbauung des Gesetzes«. Wenn das Gesetz in ihr enthalten ist, auf welcher Seite steht die Krypta denn dann? Und über welches Gesetz sprechen wir eigentlich? Antigones Krypta entsteht aus dem Zusammenprall zweier Versionen des Gesetzes der Version der polis und der der Götter (und, mit beiden verdrahtet, einer übermäßigen Zuneigung zu ihrem toten Bruder Polyneikes, ihrem liebsten Bruder). Plato schreibt im VIII. Brief, dass »Gott […] das Gesetz für vernünftig sich selbst beherrschende Menschen [ist], für die unvernünftigen ist es die sinnliche Lust«. Freud, der sieht, dass sein Enkel immer wieder scheitert, seine Mutter zu betrauern, wird ergänzen: jenseits des Gesetzes, jenseits von Lust, Tod. Justice, Nymphenburg, Dachau.


Wenn ich auf die Frage, die ich gerade gestellt habe, keine Antwort geben kann, dann liegt das daran, dass die politische Wirkung der Sendestation letztendlich nicht in dem liegt, was sie sagt, sondern wie sie es sagt. Trotz all seiner Schwächen verstand Heidegger, dass die Sprache weniger ein Vehikel für Inhalte ist denn eine Struktur, die über uns kommt und uns verwandelt, uns in den »Bereich« oder die »Nachbarschaft« einer »Sprache […] als die Welt-bewegende Sage« setzt. In ›Das Wesen der Sprache‹ spricht er vom »Lauten«, das »aus dem Läuten« erklingt, dem »rufenden Versammeln, das, offen dem Offenen, Welt erscheinen läßt in den Dingen« – und bezeichnet uns als »die Sterblichen« (»jene, die den Tod als Tod erfahren können«), »die wir nur insofern sprechen können, als wir der Sprache entsprechen«. Burroughs’ Freund Brion Gysin beschreibt in einem Sound Piece ebenfalls einen Ruf zum Versammeln; die Wendung »Calling all reactive agents« mutiert darin zu »Recalling all active agents«, »Reactive agents all calling«, »Calling all active agents re:« und so weiter. Gysin und Heidegger scheinen sich einig: Wir werden durch den An-Ruf (call) zu Agenten.


Aber eine Frage bleibt noch: Wer ruft wen auf oder an, und warum? Für Jürgenson und Raudive rufen die Toten die Lebenden; für Houdini und Bell rufen sie nicht oder sie kommen nicht durch. Watson dachte, dass das knisternde Rauschen in seiner Leitung Si­gnale von einem anderen Planeten enthielt. Die Wissenschaft sagt uns, dass es andersherum läuft: Die INS-Sendestation wird von Aliens und Engeln gehört werden – wenn sie zuhören. Aber tun sie das? Haben sie ein Gehör, Anhörungen, Hearings? Das ist die erste Frage in Rilkes Duineser Elegien. Für Rilke haben auch Engel Exekutivräte und Unterausschüsse; das gehört mit zu den Gründen, warum sie solchen Schrecken verbreiten. In Orphée schildert die Prinzessin, der Tod, während sie auf die Urteilsverkündung des Tribunals der Todesbürokraten wartet, wie die Befehle der Unterwelt weitergegeben werden: wie die Nachrichtenübermittlung durch afrikanische Buschtrommeln, Tamtam-Übertragungen. Orphée sagt, er wolle den Urheber aufsuchen, um die Strafe rückgängig machen zu lassen. »Er lebt nirgendwo«, antwortet sie traurig. »Manche sagen, wir sind sein Traum … sein böser Traum.«


Wer ruft wen auf oder an, und warum? Orphée glaubt, als er Cégestes Nachrichten zum ersten Mal hört, dass sie nur für ihn bestimmt sind. Er hat recht: Die Signale können nur in seiner Garage im Auto der Prinzessin empfangen werden. Sobald er dort ist, befiehlt sie Cégeste zu senden; dabei steht sie hinter ihm wie P hinter S, verbirgt sich als Urheberin der Nachrichten. Für Derrida stellt sich nicht nur die Frage, wer Urheber ist und wer Empfänger, sondern auch, wer zahlt. Während er das Manuskript der Postkarte abtippt, kommt ein Ferngespräch. Die »Telephonistin« fragt ihn, ob er ein R-Gespräch mit »Martine oder Martini Heidegger« akzeptiert. Es ist 1979. Heidegger, der Denker des »Anrufs«, der den Anruf der Nazis annahm, ist seit drei Jahren tot. »Ich hörte«, erzählt uns Derrida, ein Jude, »Stimmen, die ich zu erkennen glaube am anderen Ende der interkontinentalen Leitung: man hört mich und lauert auf meine Reaktion.« Fernmündliche Stimmen, die nichts sagen. Welches zerschmetterte Glas und stürzende Mauerwerk in diesem Nichts, welche bleifahle Schlussflamme? Ronell diskutiert diese Episode ausführlich und betont, dass, selbst wenn es ein betrunkener Freund Derridas und nicht Heideggers Geist war, der anrief, sich dennoch Heideggers Gewissen übertrug – ein Gewissen, gequält genug, seinen Namen zu verstümmeln, ein Martin mit einer Wendung, Verdrehung. Das ist der einzig absolut fundamentale Moment in der Geschichte der Philosophie, und Derridas Reaktion (»It’s a joke; I do not accept«) ist eine weitere Klartextattrappe, ein weiterer en clair-Dummy, unterhalb dessen die ständig wiederholte Wendung pulsiert, die den Namen Jacques Derrida verschlüsselt und den Anruf an uns weitergibt: j’accepte, I accept, ich akzeptiere.


Die Geschichte der Kommunikation hat einen Wechsel von One-to-one- zu One-to-many- zu Many-to-many-Netzwerken durchgemacht, wobei Sender und Empfänger zugleich verborgen und vervielfältigt werden. Der Kreislauf von Senden–Empfangen führt zu orphischem Verfall und komplizierten Verschiebungen/Dislokationen. Als Marks eine besonders schöne Agentin, Violetta Szabo, mit einem Gedicht nach Frankreich sendet, das er für eine andere Frau, Ruth, geschrieben hat, die bei einem Flugzeugabsturz gestorben war, wollte Szabo wissen, wer der Autor ist. »Ich sage es dir, wenn du zurückkommst«, antwortet er. Sie kehrt nicht zurück. Jahre später, als das Gedicht in einem Film über sie Verwendung findet, wird Marks von einem Vater gebeten, das Gedicht seinem kranken Sohn zu schicken, dem es sehr gefällt. Marks tut es und das Kind stirbt. Derrida erwähnt eine Liebende, die, egal mit welchem Mann sie zusammen ist, nur kommen kann, wenn sie an einen anderen denkt. Der Wolfsmann und Marks können nur trauern, wenn sie an jemand anderen denken. Sind Liebe und Trauer dasselbe? Oder ist Liebe vielmehr wie die Unfähigkeit zu trauern, die die Krypta hervorruft? Derridas eigene »Kryptogramme« sind voller Liebe: Er schreibt an die geheimnisvolle Empfängerin der Postkarte von »unserer amourösen Bürokratie, unserem erotischen Sekretariat«, schreibt ihr, »nie habe ich dich so geliebt, nie war ich unserer Nachkommen so sicher, da ich dich (an)rufe, wie die andere, jenseits deines Namens, jenseits aller Namen«. Der (An-)Ruf erzeugt Liebe und Liebe erzeugt den (An-)Ruf.


Marks’ wiederholt disloziertes Gedicht ist ebenfalls auf jemanden bezogen, an ein ›du‹ gerichtet. Es geht so: 


The life that I have

Is all that I have


And the life that I have


Is Yours.


The love that I have


Of the life that I have


Is yours and yours and yours.


A sleep I shall have


A rest I shall have


Yet death will be but a pause.


For the peace of my years


In the long green grass


Will be yours and yours and yours.


Dies Leben das ich habe


Ist alles was ich habe


Und dies Leben das ich habe


Ist dein.


Diese Liebe die ich habe


Des Lebens das ich habe


Ist dein und dein und dein.


Schlafen werde ich


Ruhen werde ich 


Und der Tod ist nur kurze Zäsur.


Denn der Frieden meiner Jahre


Im hohen grünen Gras


Wird dein sein, dein und dein.


»Dein und dein und dein«: Wiederholen diese Worte unhörbar dreimal Ruths Namen? Oder senden sie ein Zeichen an Ruth, Violetta und den Jungen? Oder an Marks’ zukünftige Leser? Zwischen den amourösen, kryptischen Verschiebungen des Gedichts wird das ›du‹ zu all dem, und der Tod wird zur Zäsur, einer asignifikanten Pause in der langen Kette der Sen-Sen-Senilität.

Die Prinzessin Tod ruft Orphée, weil sie ihn liebt. Sie verführt ihn, durch Dichtung und durch Technologie. Weil er verführt wird, wiederholt er, und weil er unfähig ist, um Eurydike zu trauern, verliebt er sich in den Tod. Die Todesprinzessin liebt ihn so sehr, dass sie ihn rückwärts spielt, à reculons, ihn zurückbringt durch den Strom der Zeit, die eilt wie der Wind. Das ist Cocteaus überraschende Wendung: Mithilfe von Cégeste (wie Auden weiß, kann das nur ein Dichter bewerkstelligen) stellt die Prinzessin sicher, dass am Ende des Films die Uhr zurückgestellt ist auf Null-minus-Eins und nichts – weder Nachrichten noch Motorräder noch Kneipenschlägerei – ist geschehen.


Wir werden sein wie der Tod, die Prinzessin, und Cégeste – dieses gehässig-wespenhafte Duo, das an Orphée sendet. Was bedeutet, dass das Publikum – sie, du – an Orphées Stelle gesetzt wird. Vielleicht hatte Joseph Beuys, der zum Künstler gewordene deutsche Kriegs-Funker, Recht: Jeder kann ein Künstler werden. Aber nur, wenn man den richtigen Sender einschaltet. Aber selbst wenn du nicht einschaltest, werden wir dafür sorgen, dass dir nichts geschieht. Wir sind die Garanten dafür – im Schweigen, das auf Sendung ist, dich als Schallwellen umschwirrt, den ungehörten Nachrichten. Warum tun wir das für dich? Weil wir dich lieben. Und auch du liebst uns, selbst wenn wir dieses Wissen aus deinem Bewusstsein löschen, bevor du überhaupt davon gewusst haben wirst, es in dem Moment ausradieren, in dem wir es dir einschreiben. Wir lieben, wir werden geliebt, wir sind Liebe. Der Rest, wie man sagt, ist ­Schweigen.





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»Ein mörderisches, tödliches Spiel. Doch das Ergebnis ist: In dieser Grabnische lebt die Avantgarde wie nirgends sonst.« Stefan Zweifel, Du

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Simon Critchley

Simon Critchley

ist ein britischer Philosoph. Er ist Professor für Philosophie an der New School for Social Research in New York und Teilzeitprofessor an der University of Essex. Seit 2010 unterrichtet er außerdem an der European Graduate School in Saas-Fee und ist zudem Gastprofessor an der Universität Sydney (AUS) und der University of Notre Dame (USA). Zwischen 1998 und 2004 war er Programmleiter am Collège International de Philosophie in Paris.

Weitere Texte von Simon Critchley bei DIAPHANES
The International Necronautical Society

The International Necronautical Society

wurde von Tom McCarthy gegründet. Sie ist ein neoavantgardistisches Netzwerk von Künstlern, Schriftstellern und Philosophen. In ihrem Gründungsmanifest verschreibt sich die Gesellschaft der Kartierung, Erforschung, Erschließung und möglichen Inbesitznahme von Räumen, die unter dem Banner des Todes stehen. Neben ihrem Generalsekretär und einem Chefphilosophen hat die Gesellschaft eine Propagandaabteilung, ein Ausschlusskomitee und einen Nachrufbeauftragten.

Weitere Texte von The International Necronautical Society bei DIAPHANES
Tom McCarthy

Tom McCarthy

ist Generalsekretär der International Necronautical Society, einem semi-fiktiven Avantgarde-Netzwerk, und hat zahlreiche Erzählungen und Essays veröffentlicht. »8½ Millionen«, sein erster Roman, erhielt 2008 den Believer Book Award. Seine Romane »C« (2010) und »Satin Island« (2015) standen auf der Shortlist des Man Booker Prize. Er lebt in Berlin.

Weitere Texte von Tom McCarthy bei DIAPHANES

»Widersprechen wir uns? Gut, dann widersprechen wir uns eben. Wir sind groß. Wir sind viele.«

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