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Eduardo Viveiros de Castro: Perspektiventausch
Perspektiventausch
(S. 73 – 93)

Die Verwandlung von Objekten zu Subjekten in indianischen Ontologien

Eduardo Viveiros de Castro

Perspektiventausch
Die Verwandlung von Objekten zu Subjekten in indianischen Ontologien

Übersetzt von Wilfried Prantner

PDF, 21 Seiten

In seinem zuerst 2004 publizierten Essay »Perspektiventausch« skizziert Viveiros de Castro die ontologischen Grundlagen des Animismus als Umkehrung der Ontologie der Moderne. In der Moderne ist die Natur, d.h. der Körper, das gemeinsame Fundament menschlicher wie nichtmenschlicher Wesen, während die Kultur die Differenz zwischen ihnen erzeugt: eine Natur, viele Kulturen. Die amazonischen Arawaté vertreten die umgekehrte Position. Ihnen gilt die Kultur als Kontinuum, während die Differenzen in der Unterschiedlichkeit der Körper wurzeln: eine Kultur, viele Naturen. Daher nehmen alle Wesen sich selbst als Menschen und ihre Praktiken als Kultur wahr. Für den Jaguar ist Blut, was für uns Maniokbier ist, und was wir als schlammigen Tümpel erfahren, ist für den Tapir ein großer Festsaal. Dabei handelt es sich nicht um unterschiedliche Repräsentationen ein und derselben Welt. Alle nehmen die Welt auf die gleiche Art und Weise wahr, nur ist die Welt, die sie wahrnehmen, eine andere. Vor dem Hintergrund dieses »Anderen Multinaturalismus« muss Animismus als relationale Ontologie verstanden werden, die in ihrem Wahrheitsanspruch »unsere« spontane Ontologie und deren Wahrheitsanspruch herausfordert.

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Eduardo Viveiros de Castro

ist Professor für Ethnologie am Museu Nacional der Universidade Federal von Rio de Janeiro. Seine Feldstudien konzentrieren sich auf die Kosmologien indigener Völker des Amazonasgebiets.

Weitere Texte von Eduardo Viveiros de Castro bei DIAPHANES
Irene Albers (Hg.), Anselm Franke (Hg.): Animismus (alte Auflage)

Der »Animismus« ist eine Erfindung der Ethnologie des 19. Jahrhunderts, geprägt auf dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus. Animisten bevölkern die unbelebte Natur mit Seelen und Geistern. Das erklärt man als eine die materielle Realität verkennende »Projektion«, durch die den Dingen und der Natur Leben und Handlungsmacht zugeschrieben wird. Animismus wird so zum Gegenbild moderner Wissenschaft, zum Ausdruck eines »Naturzustands«, in dem Psyche und Natur als ungeschieden gelten. Wenn sich letzthin ein neues Interesse am Animismus herausgebildet hat, liegt das nicht daran, dass der Begriff als wissenschaftliche Kategorie rehabilitiert wurde. Vielmehr ist die kategorische Trennung von subjektiver und objektiver Welt selbst in Bewegung geraten. Der Band versammelt zentrale Texte dieser Debatte, die hier erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.