In ihrem 2011 entstandenen Essay »Reclaiming Animism« stellt Isabelle Stengers die Frage, unter welchen Bedingungen Animismus behandelt werden müsste, wenn er nicht als Wissensgegenstand für das Epos vom Aufstieg des Wissenschaftlers mobilisiert werden soll. Stengers wendet sich dagegen, den Animismus zu definieren, weil ihr bereits eine Wissenschaftskultur suspekt ist, die Experten mit der Autorität für solche Definitionen ausstattet. Sie verharrt aber nicht bei der beruhigenden Opposition von Kritik und positivistischer Wissenschaft, sondern setzt beiden die Möglichkeit einer Wissenschaft entgegen, die es dem befragten Gegenstand als Partner erlaubt, die Fragestellung selbst zu hinterfragen. Ihr geht es darum, die Voraussetzungen radikal verhandelbar zu machen. Mit Gilles Deleuze behandelt sie Animismus im Kontext eines »agencements« oder Gefüges, das es ermöglicht, Erfahrung nicht als »unsere«, sondern als eine, die uns animiert, zu verstehen. Animation und Handlungsfähigkeit gehören nicht zum Subjekt, sondern zum Gefüge an sich. Die Radikalität des Textes aber liegt gerade darin, der Versuchung zu widerstehen, Animismus im Schutz bekannter theoretischer Konzepte einzuhegen. Stengers setzt vielmehr auf eine Wiederbelebung der kompromittierenden Begriffe Animismus und Magie. Mit Viveiros de Castro geht es ihr um eine »permanente Dekolonisierung des Denkens«, und das heißt: Die Anderen nicht nur als jene anzuerkennen, die anders denken, sondern auch als jene, welche die Rolle, die wir dem Denken beimessen, in Frage stellen können.