(Grobe Skizze für einen Film)
Eines Nachmittags zu Beginn des Frühlings 1946 beobachtete die an jenem hehren Ort zwischen Washington Obelisk und Lincoln Memorial versammelte und von einem großen Platz durch ein Seil ferngehaltene Menge die Staatsmänner, Diplomaten, Militärs, Wissenschaftler, Geistlichen, College-Präsidenten, Wochenschau-Kameramänner und Life-Photographen, die sich auf den eigens errichteten Bühnen eingefunden hatten, um im wechselhaften Sonnenlicht und unter unruhig flatternden Flaggen fast aller Nationen den neuen Triumphbogen einzuweihen, der jetzt und für alle Zeiten an die größte menschliche Errungenschaft überhaupt erinnern sollte.
Der Entwurf für den Bogen geht auf Frank Lloyd Wright zurück und ist dessen einzige Konzession an die Romanik; darüber hinaus gestaltete der Meisterarchitekt ihn frost- und erdbebensicher und schützte ihn gegen Kritzeleien und das Einritzen von Initialen. Der Bogen schimmerte kostbarer als die meisten Edelsteine – er war auch gar nicht aus Stein, sondern aus geschmolzenem Uran – und stand unter dem gebauschten, regenbogenfarbenen Tuch, welches noch seine Widmungsinschrift verhüllte, wie ein gefesselter königlicher Sklave der Antike mit maskiertem Gesicht und mächtigem nacktem Leib.
Aus den Lautsprechern, die recht geschickt unter dem Bogen versteckt waren und sich in den riesigen Flächen neu sprießenden Rasens wie Rabatten grauglänzender Prunkwinden ausnahmen, drang eine Sonderaufführung der »Ode an die Freude« aus Beethovens 9. Sinfonie in einer von Robert E. Sherwood betreuten Neuübersetzung durch Louis Aragon und Harry Brown, dirigiert von Arturo Toscanini im Studio 8-H im Rockefeller Center, wo ein geladenes Publikum die Einweihungszeremonie während der ersten großen Ringsendung des Fernsehens via Bildschirm verfolgte.
Auch wenn die Übertragung noch nicht ganz reibungslos klappte, war es ein bewegender Anblick. Selbstverständlich fielen viele Vorreden noch länger und weniger überzeugend aus, als man es von Reden zu gewichtigen Anlässen gewohnt ist; es war nämlich weder den Rednern noch den Zuhörern klar, welche Idee dem Bogen zugrunde lag, welchen Zweck er hatte und wem oder was er gewidmet werden sollte: Die Redner waren daher sichtlich von dem unwiderstehlichen Drang getrieben, auf die Großartigkeit des Ereignisses hinzuweisen, indem sie ihm einen dauerhaften Altar errichteten, und gleichzeitig ihre Namen mit einigen angemessenen Worten mit diesem Moment zu verbinden – wie es nach wie vor viele Leute für nötig befinden, wenn beispielsweise ein Toter beerdigt wird. Daher war an den Reden Stimmkraft, Wortgewandtheit und eine bei jedem Redner spürbare geradezu übertriebene Verbindlichkeit und optimistische Haltung bemerkenswerter als ihr Inhalt oder gar dessen Vermittlung. Als die Reden dann endlich vorüber waren, war die Feier jedoch von großer Schlichtheit und erreichte, wie mehrere...